Bedarfsbewertung: Maßgeblicher Liegenschaftszinssatz bei Mietwohngrundstücken
Die Bedarfsbewertung von Immobilien für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist ein komplexes Verfahren, bei dem der Liegenschaftszinssatz eine zentrale Rolle spielt. Er ist maßgeblich für die Ermittlung des Ertragswerts eines Mietwohngrundstücks. Das Finanzgericht (FG) München hat in einem Urteil vom 2. April 2025 (Az.: 4 K 978/22) entschieden, wann die vom Gutachterausschuss ermittelten Zinssätze für die Besteuerung heranzuziehen sind.
I. Die Hierarchie der Liegenschaftszinssätze
Grundsätzlich müssen die Finanzbehörden bei der Bedarfsbewertung von Mietwohngrundstücken den vom Gutachterausschuss ermittelten Liegenschaftszinssatz anwenden ($\S 188$ Abs. 1 BewG a.F.).
- Vorgreifliche Kompetenz des Gutachterausschusses: Die Gutachterausschüsse verfügen über besondere Sachkunde und Ortsnähe ($\S 192$ Abs. 3 BauGB). Ihre ermittelten Zinssätze sind daher für die steuerliche Bewertung vorgreiflich.
- Gesetzlicher Zinssatz als Notlösung: Nur wenn dem Finanzamt keine geeigneten Liegenschaftszinssätze mitgeteilt wurden (z.B., weil die Daten den Bewertungsstichtag nicht umfassen), sind die gesetzlichen Zinssätze nach $\S 188$ Abs. 2 S. 2 Nr. 1–4 BewG a.F. heranzuziehen.
II. OLG-Entscheidung: Ein Mittelwert kann ausreichend sein
Das FG München hat die Eignung eines von einem Gutachterausschuss veröffentlichten Mittelwerts der Liegenschaftszinssätze bejaht.
- Differenzierung ist erforderlich: Liegenschaftszinssätze müssen für eine bestimmte Grundstücksart und eine bestimmte Lage auf dem Grundstücksmarkt ermittelt sein.
- Mittelwert kann genügen: Ein von einer Stadt veröffentlichter Mittelwert für alle Wohnungen kann für die Bedarfsbewertung geeignet sein, wenn der Gutachterausschuss daneben noch für besonders attraktive Lagen gesonderte Zinssätze veröffentlicht hat und eine weitergehende Differenzierung aus statistischen Gründen nicht möglich ist.
III. Fazit für die Praxis
Dieses Urteil gibt wichtige Hinweise für die Besteuerung von Immobilien im Erbfall.
- Stichtag der Bewertung: Maßgeblich für die Eignung der Zinssätze ist, dass sie einen Zeitraum umfassen, der den Bewertungsstichtag einschließt.
- Gefahr bei fehlenden Daten: Fehlen geeignete Zinssätze, ist der gesetzliche Zinssatz heranzuziehen, was zu einer höheren Erbschaftsteuer führen kann. Erben sollten die Veröffentlichungen der Gutachterausschüsse sorgfältig prüfen.
Quellenangabe:
FG München, Urteil vom 02.04.2025, Az.: 4 K 978/22, BeckRS 2025, 9453.
$\S 188$ Abs. 1 u. 2 Bewertungsgesetz in der alten Fassung (BewG a.F.).
$\S 192$ Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB).
(Verweist auf BFH, Urteil vom 18.09.2019, Az.: II R 13/16).
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