Behaltenspflicht bei mehrstöckigen Personengesellschaften: Worauf Erben und Schenker achten müssen
Die Übertragung von Unternehmensanteilen in komplexen, mehrstöckigen Personengesellschaftsstrukturen ist eine große Herausforderung. Dabei müssen die erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen, insbesondere die Behaltenspflicht nach §13a ErbStG, genau beachtet werden. Aktuelle Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. März 2021 (Aktenzeichen wurden im Originaltext nicht genannt) bringen wichtige Klarstellungen und geben Anlass zur Vorsicht.
Der Behaltenspflichtverstoß in mehrstöckigen Strukturen
Ein Behaltenspflichtverstoß liegt nicht nur vor, wenn die übertragene Obergesellschaft selbst verkauft wird. Er kann auch eintreten, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen der Obergesellschaft veräußert, in das Privatvermögen überführt oder betriebsfremden Zwecken zugeführt werden.
In den zugrundeliegenden Fällen ging es um die Frage, ob die Veräußerung von Wirtschaftsgütern einer Unterpersonengesellschaft einen Behaltenspflichtverstoß der Oberpersonengesellschaft auslösen kann. Der BFH bejahte dies.
- BFH-Auffassung: Die Richter entschieden, dass Wirtschaftsgüter der Untergesellschaft zugleich als wesentliche Betriebsgrundlagen der Obergesellschaft gelten können, wenn sie für den Betrieb der Obergesellschaft funktional wesentlich sind.
- Maßgebliche Perspektive: Entscheidend ist dabei allein die Perspektive der Obergesellschaft. Die Veräußerung eines Wirtschaftsguts der Untergesellschaft, das für den Betrieb der Obergesellschaft keine wesentliche Rolle spielt, löst demnach keinen Behaltenspflichtverstoß aus.
Die Bedeutung des Begriffs „wesentliche Betriebsgrundlage“
Der BFH betont, dass der Begriff der „wesentlichen Betriebsgrundlage“ in diesem Kontext erbschaftsteuerspezifisch ausgelegt werden muss. Es müssen sowohl qualitative als auch quantitative Merkmale herangezogen werden. Als Beispiel nannte der BFH ein Grundstück einer Untergesellschaft, das die räumliche Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Obergesellschaft bildet.
Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil ist von großer Bedeutung für die Nachlass- und Schenkungsplanung von Unternehmen.
- Komplexitätsfalle: Die Regelungen sind in mehrstöckigen Strukturen äußerst komplex. Eine Veräußerung von Vermögenswerten auf einer unteren Ebene kann die Steuerbefreiung auf der oberen Ebene gefährden.
- Sorgfältige Prüfung: Erben und Schenker müssen die Funktion und das Gewicht von Wirtschaftsgütern in der gesamten Unternehmensstruktur sorgfältig prüfen, um die Behaltenspflicht nicht zu verletzen.
- Haftungsrisiko: Bei einem Verstoß gegen die Behaltenspflicht droht eine rückwirkende Aufhebung der Steuerbegünstigung, was zu erheblichen Nachzahlungen führen kann.
Quellenangabe:
Dr. Karsten Lorenz und Philipp Claussen, „Behaltenspflicht und Reinvestitionsklausel bei mehrstöckigen Personengesellschaften“, ZEV 2021, 614.§ 13a Abs. 3 und 6, § 13b ErbStG.
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