Das Behindertentestament: Pflichtteilsergänzungsansprüche sicher vor dem Sozialhilfeträger
Eltern behinderter Kinder möchten sicherstellen, dass ihr Kind finanziell versorgt ist, ohne dass der Nachlass vom Sozialhilfeträger in Anspruch genommen wird. Ein sogenanntes „klassisches“ Behindertentestament, das eine Vor- und Nacherbschaft sowie eine Testamentsvollstreckung vorsieht, kann einen großen Teil des Erbes schützen. Doch eine Doppelstrategie, die auch lebzeitige Schenkungen an Geschwister umfasst, kann zu Problemen führen, da sie Pflichtteilsergänzungsansprüche auslöst, die vom Schutz des Testaments nicht erfasst sind.
Das Problem: Der ungeschützte Pflichtteilsergänzungsanspruch
Wenn ein Erblasser zu Lebzeiten Schenkungen an andere Personen vornimmt, entstehen für die pflichtteilsberechtigten Erben, also auch für das behinderte Kind, Pflichtteilsergänzungsansprüche. Diese Ansprüche sind Teil des persönlichen Vermögens des Kindes und werden von der Testamentsvollstreckung nicht erfasst. Das bedeutet, dass der Sozialhilfeträger auf diese Ansprüche zugreifen kann.
Die Lösung: Erhöhung der Erbquote und bedingte Zahlungsansprüche
Der hier vorgestellte Lösungsansatz zielt darauf ab, die Pflichtteilsergänzungsansprüche in den geschützten Nachlass einzubinden. Dies geschieht durch eine Kombination aus zwei Elementen:
- Erhöhung der Erbquote: Im Testament wird die Erbquote des behinderten Kindes so erhöht, dass sie nicht nur die gesetzliche Pflichtteilsquote, sondern auch den rechnerischen Wert der Pflichtteilsergänzungsansprüche umfasst. Diese erhöhte Erbquote unterliegt dann der Vor- und Nacherbfolge sowie der Testamentsvollstreckung.
- Bedingte Zahlungsansprüche: Um die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs zu sichern, werden in den Schenkungsverträgen mit den anderen Kindern bedingte Zahlungsansprüche zugunsten des Nachlasses des Erblassers vereinbart.
Diese vertragliche Vereinbarung stellt sicher, dass ein fehlender Betrag im Nachlass durch die Beschenkten ausgeglichen wird. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass der Anspruch dem Nachlass zugutekommt, der wiederum der Testamentsvollstreckung unterliegt und somit vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers geschützt ist.
Formulierung im Schenkungsvertrag
Ein Beispiel für eine solche Formulierung im Schenkungsvertrag könnte lauten:
„Sollte der Nachlass des Veräußerers nicht ausreichen, die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche von B zu befriedigen, hat der Erwerber dem Veräußerer bzw. dessen Erben eine Zahlung zu erbringen, die dem „fehlenden Betrag“ nach §2329 Abs. 1 BGB entspricht. Dieser Anspruch wird mit dem Tod des Veräußerers zur Zahlung fällig.“
Fazit und Ausblick
Eine sorgfältige Nachlassplanung ist entscheidend, um den Nachlass eines behinderten Kindes vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu schützen. Das hier vorgestellte Modell, das die Erhöhung der Erbquote mit bedingten Zahlungsansprüchen kombiniert, kann eine effektive Strategie sein, um die Absichten der Eltern zu verwirklichen und die Versorgung des Kindes langfristig zu sichern.
Quellenangabe:
Prof. Dr. Bernd Wegmann, „Sicherung des „Pflichtteilsergänzungsanspruchs“ des behinderten Kindes vor dem Sozialhilferegress“, ZEV 2025, 573 ff.§§2325,2326 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
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