Der große Frust für den Erben: Die Verzinsung des Pflichtteilsanspruchs
Der Pflichtteilsanspruch wird mit dem Erbfall sofort fällig und unterliegt ab Verzug oder Rechtshängigkeit einer Verzinsung, die aufgrund des gesetzlichen Zinssatzes (fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) oft deutlich über banküblichen Zinsen liegt. Für den Erben stellt dies eine erhebliche finanzielle Belastung dar, insbesondere da langwierige Nachlassabwicklungen, Wertermittlungen und die Einholung notarieller Nachlassverzeichnisse die Zinslast in die Höhe treiben.
I. Fälligkeit, Verzug und die Zinsfalle
Der Pflichtteilsanspruch wird mit dem Erbfall sofort fällig ($\S 271$ BGB). Die Verzinsung beginnt ab Verzug oder Rechtshängigkeit:
- Verzug: Tritt erst ein, wenn eine Mahnung vorliegt oder der Erbe die Erfüllung endgültig verweigert ($\S 286$ BGB). Die Mahnung muss den Erben zur Zahlung auffordern, eine genaue Bezifferung des Betrags ist nicht erforderlich.
- Haftungsfalle für Anwälte: Ein Anwalt haftet für den Zinsverlust, wenn er nicht zeitnah eine verzugsbegründende Mahnung ausspricht.
- Keine Kostenerstattung bei Verzögerung: Die Kosten für die anwaltliche Beauftragung vor Verzugseintritt sind vom Erben in der Regel nicht zu erstatten.
II. Die Einwendung des Erben: Fehlende Verantwortlichkeit
Der Erbe kann sich gegen den Zinsanspruch verteidigen, indem er nachweist, dass er für die Verzögerung des Pflichtteilsbetrags nicht verantwortlich ist. Allerdings trägt der Erbe die Beweislast für die fehlende Verantwortlichkeit, und die Anforderungen des BGH sind hoch.
- Hohe Anforderungen: Der Erbe gerät nicht in Verzug, wenn die Verzögerung nicht von ihm verschuldet ist. Er muss jedoch beweisen, dass er alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um die Wertermittlung zu beschleunigen.
III. Strategien zur Begrenzung der Zinslast in der Praxis
Um die Zinslast wirksam zu begrenzen, sollte der Erbenvertreter folgende Strategien verfolgen:
1. Umgang mit Sachverständigengutachten und Gutachterausschüssen
- Bearbeitungszeit dokumentieren: Lassen Sie sich die voraussichtliche Bearbeitungszeit des Gutachterausschusses schriftlich bestätigen.
- Intervention bei Verzögerung: Bei Überschreitung der angekündigten Bearbeitungszeit sollten Sie den Pflichtteilsberechtigten über das Leistungshindernis informieren und ihm die Möglichkeit zur Intervention (z.B. durch die Beauftragung eines schnelleren, freien Sachverständigen) geben.
- Regelmäßige Anfragen: Regelmäßige Sachstandsanfragen beim Sachverständigen sind zu empfehlen, um das eigene unverschuldete Verhalten zu dokumentieren.
2. Verzögerungen bei notariellen Nachlassverzeichnissen
- Notwendigkeit der Klage: Der Erbe sollte das privatschriftliche Nachlassverzeichnis vorlegen, da der Wertermittlungsanspruch ein selbstständiger Anspruch ist und die Wertermittlung nicht vom Nachlassverzeichnis abhängt.
- Vorgehen bei Notarverzögerung: Bei unzulässiger Ablehnung oder Verzögerung durch den Notar muss der Erbe die Untätigkeitsbeschwerde ($\S 15$ Abs. 2 S. 1 BNotO) einlegen, um sein Bemühen nachzuweisen und den Zinsanspruch zumindest zu begrenzen.
- Notar muss tätig werden: Der Notar darf die Amtstätigkeit nur aus wichtigem Grund verweigern. Das bloße Argument der Überlastung reicht nicht aus.
Fazit: Nur mit sorgfältigem, dokumentiertem Vorgehen lässt sich die Zinslast des Pflichtteilsanspruchs wirksam auf ein erträgliches Maß begrenzen. Die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Verantwortlichkeit liegt immer beim Erben.
Quellenangabe:
Dr. I. Schulze-Heiming und Dr. Pierre Plottek, „Der große Frust für den Erben: Die Verzinsung des Pflichtteilsanspruchs“, ZErb 2025, 639 ff.
$\S\S 280, 286, 288, 291, 2314$ Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
$\S 254$ Zivilprozessordnung (ZPO).
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