Die ErbStG-Gerechtigkeitsdebatte: Stehen neue Gesetze und BVerfG-Entscheidungen bevor?
Im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer zeichnen sich erhebliche Veränderungen ab. Die seit Langem geführte Gerechtigkeitsdebatte um die Verschonung von Betriebsvermögen ($\S\S 13a, 13b$ ErbStG) und die hohen Steuererlasse nährt den Wunsch in Politik und Verwaltung nach einer Reform.
I. Gesetzgebung und BVerfG: Steuermilliarden auf dem Prüfstand
Die aktuellen Zahlen zeigen die Brisanz der Debatte:
- Hohe Steuererlasse: Im Jahr 2024 wurden in 45 Erb- bzw. Schenkungsfällen Steuern in Höhe von ca. 3,4 Mrd. EUR auf verschontes Vermögen erlassen.
- BVerfG-Entscheidung abwarten: Politik und Gesetzgeber warten auf die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungsmäßigkeit der Betriebsvermögensverschonung (Verfahren 1 BvR 804/22). Es wird erwartet, dass diese Entscheidung die Regeln zur Verschonung neu definieren könnte.
- Regionalisierung und Freibeträge: Zugleich werden Vorschläge zur Regionalisierung der Erbschaftsteuer und der Wunsch nach höheren Freibeträgen diskutiert.
II. ErbStG: Die Kürzung des fiktiven Zugewinnausgleichs
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat eine wichtige Frage zur Berechnung des fiktiven Zugewinnausgleichs nach $\S 5$ ErbStG geklärt, der die Steuerlast des überlebenden Ehegatten mindert.
- Der Fall: Eine Witwe erbte einen Miteigentumsanteil an einem selbstbewohnten Familienheim. Das Haus war nach $\S 13$ Abs. 1 Nr. 4b ErbStG steuerbefreit. Das Finanzamt kürzte den fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch der Witwe um den Wert des steuerfreien Hauses.
- FG-Entscheidung: Das FG bejahte die Kürzung nach $\S 5$ Abs. 1 S. 6 ErbStG. Das Gericht folgte der Argumentation, dass die Steuerbefreiung sonst faktisch doppelt wirken würde (einmal durch die Freistellung, einmal durch die Erhöhung des fiktiven Zugewinnausgleichs).
Kritische Anmerkung: Obwohl die Entscheidung den Wortlaut des Gesetzes strikt auslegt, wird in der Literatur kritisiert, dass bei im Miteigentum gehaltenen Familienheimen die Kürzung unbillig sein kann, da der Wert des Hauses gar nicht vollumfänglich zur Erhöhung des Zugewinns beigetragen hat.
III. Aktuelle Steuerfallen bei Immobilien und Unternehmen
- Steuerfalle Lohnsumme: Das FG Münster hat entschieden, dass Vergütungen an Gesellschafter (Sonderbetriebseinnahmen) bei der Ermittlung der Lohnsumme berücksichtigt werden müssen. Dies widerspricht der bisherigen Verwaltungsauffassung und kann die Lohnsummenpflicht erleichtern.
- Verwaltungsvermögen durch Dritte: Das FG Münster hat bestätigt, dass die mittelbare Überlassung von Grundbesitz an eine Gesellschaft über einen Dritten (z.B. durch Verpachtung an den Gesellschafter, der es dann an die Gesellschaft weitergibt) zur Einstufung als Verwaltungsvermögen führt, was die Steuerbegünstigung entfallen lässt. Es fehle an der unmittelbaren Nutzungsüberlassung.
- Schenkung unter Widerruf: Eine Grundstücksschenkung ist erst mit der tatsächlichen Ausgliederung aus dem Vermögen des Erblassers vollzogen. Der BFH hat klargestellt, dass die Hemmung der Frist für die Pflichtteilsergänzung nur dann entfällt, wenn keine Rechte vorbehalten sind, die dem Erblasser den Genuss am Objekt sichern.
Quellenangabe:
Dr. Thomas Curdt und Dr. Philipp Kepper, „ZEV-Report Steuerrecht“, ZEV 2025, 717 ff.
(Verweist auf BFH- und FG-Entscheidungen zu $\S\S 5, 13a, 13b$ ErbStG und $\S 19$ EStG).
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