Die Vollverschonung nach §13a Abs. 10 ErbStG: Ein Minenfeld in der Besteuerungspraxis

Die Vollverschonung nach §13a Abs. 10 ErbStG kann zur vollständigen Steuerbefreiung führen, birgt aber hohe Risiken. Erfahren Sie, wie Sie die „Optionsfalle“ vermeiden.

Die Übertragung von Betriebsvermögen ist im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht privilegiert. Die sogenannte Vollverschonung oder Optionsverschonung nach §13a Abs. 10 ErbStG bietet die Möglichkeit, eine vollständige Steuerbefreiung von 100 % zu erreichen. Doch dieser Steuervorteil ist mit erheblichen Risiken verbunden, die in der Beratungspraxis als „Optionsfalle“ bekannt sind.

Die Voraussetzungen der Vollverschonung

Die Vollverschonung kann auf Antrag gewährt werden, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Geringe Verwaltungsvermögensquote: Das begünstigungsfähige Vermögen darf zu maximal 20 % aus Verwaltungsvermögen bestehen. Dieses Verhältnis wird zum Zeitpunkt der Steuerentstehung ermittelt.
  2. Strenge Behaltens- und Lohnsummenpflichten: Der Erwerber muss sich an verschärfte Lohnsummen- und Behaltenspflichten halten, um die Steuerbefreiung nicht rückwirkend zu verlieren.

Das Risiko der „Optionsfalle“

Der Antrag auf Vollverschonung ist unwiderruflich. Scheitert der Antrag, weil die Verwaltungsvermögensquote die 20 %-Grenze überschreitet, droht die komplette Versagung der Steuerbefreiung. Dies kann zu einer erheblich höheren Steuerlast führen, als wenn der Erwerber von vornherein die Regelverschonung beantragt hätte. Die Finanzverwaltung und der BFH (zumindest zur alten Rechtslage) vertraten lange Zeit diese „Alles-oder-Nichts“-Auffassung.

Dieses Risiko macht den Antrag auf Vollverschonung zu einer hochkomplexen und unsicheren Entscheidung für den Steuerpflichtigen.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Um die Risiken der Optionsfalle zu minimieren, sollten Erwerber folgende Strategien in Betracht ziehen:

  • Antragstellung hinauszögern: Der Antrag sollte so spät wie möglich gestellt werden, idealerweise erst, wenn alle relevanten Informationen zur Verwaltungsvermögensquote vorliegen. Eine Antragstellung ist „grundsätzlich“ bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung möglich.
  • Risikoreduktion durch Aufteilung: Wenn mehrere begünstigte Einheiten übertragen werden, kann die Optionsverschonung für jede Einheit gesondert beantragt und geprüft werden. Dies ermöglicht es, das Verwaltungsvermögen zu bündeln und das Risiko auf einzelne Einheiten zu beschränken.
  • Kalkulation mit Puffer: Es wird empfohlen, in Zweifelsfällen einen ausreichend großen Sicherheitsabstand zur 20 %-Grenze einzuhalten. Eine Quote von 19,2 % ist zu riskant.
  • Vertragliche Absicherung: Bei Schenkungen sollten Steuerklauseln im Vertrag vereinbart werden. Diese ermöglichen es, die Schenkung rückgängig zu machen, wenn die angestrebte Steuerbefreiung nicht erreicht wird.

Fazit

Die Vollverschonung nach §13a Abs. 10 ErbStG ist ein attraktives, aber riskantes Instrument. Angesichts der „Optionsfalle“ und der strengen Voraussetzungen sollten Steuerpflichtige und ihre Berater sorgfältig abwägen, ob das Risiko einer kompletten Nichtverschonung tragbar ist. Oftmals kann es sinnvoller sein, die geringere, aber sichere Regelverschonung zu wählen. Die Forderung der Fachliteratur an den Gesetzgeber, die Regelung zu reformieren, um den Privilegierungsansatz nicht zu konterkarieren, bleibt bestehen.

Quellenangabe:

Dr. Markus Schwabe, „Die Vollverschonung nach §13a Abs. 10 ErbStG – Handlungsempfehlungen für die Besteuerungspraxis“, ZEV 2025, 577 ff.§13a,§13b Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG).(Verweis auf die entsprechenden ErbStR und BFH-Rechtsprechung).

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