Digitaler Nachlass: Dürfen Erben Social-Media-Accounts weiterführen?
Die Frage, was mit den Social-Media-Accounts eines Verstorbenen geschieht, beschäftigt Erben, Provider und die Rechtsprechung gleichermaßen. Ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des OLG Oldenburg hat klargestellt, dass Erben aufgrund der Vererblichkeit des vertraglichen Nutzungsanspruchs berechtigt sind, die Accounts eines Verstorbenen aktiv weiterzuführen. Doch diese weitreichenden Befugnisse bringen sowohl für Erblasser als auch für Erben neue rechtliche und praktische Herausforderungen mit sich.
Die Perspektive des Erblassers: Digitale Vorsorge ist entscheidend
Ein Erblasser, der nicht möchte, dass seine Erben Einsicht in seine Social-Media-Accounts nehmen oder diese fortführen, sollte seinen Willen zu Lebzeiten klar regeln.
- Ausschluss der Erben: Ein Ausschluss des Zugangs- und Nutzungsrechts kann im Testament über eine Auflage umgesetzt werden. So kann der Erblasser seine Erben verpflichten, das Vertragsverhältnis mit dem Provider zu kündigen, ohne vorher Einsicht in den Account zu nehmen.
- Masterpasswort: Um die Ausübung der Rechte zu erleichtern, empfiehlt es sich, eine mit einem Masterpasswort geschützte Liste mit den Zugangsdaten zu erstellen.
- Alternative: Nachlasskontakt: Viele Provider bieten die Möglichkeit, einen Nachlasskontakt zu benennen. Dies stellt rechtlich einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall dar, der eine „Lösung am Erbrecht vorbei“ ermöglicht. Allerdings sehen die Provider derzeit nur Zugangsrechte vor, keine Nutzungsrechte.
Die Perspektive der Provider: Die Regelungen zum Gedenkzustand
Provider wie der Meta-Konzern sehen vor, dass ein Account nach dem Tod des Inhabers in einen Gedenkzustand versetzt wird, was die postmortale Nutzung durch die Erben beschränkt.
- Rechtliche Mängel: Solche Regelungen sind oft im Hilfebereich der Plattformen verortet und werden daher nach der Rechtsprechung nicht wirksam in den Vertrag einbezogen.
- Unwirksamkeit der Klauseln: Selbst bei wirksamer Einbeziehung hat der BGH solche Klauseln als unwirksam bewertet, da sie gegen die gesetzlichen Grundsätze der Vererblichkeit sämtlicher vertraglicher Rechtspositionen verstoßen.
Die Perspektive der Erben: Chancen und Risiken
Auch wenn die Rechtsprechung die Position der Erben stärkt, bestehen praktische Schwierigkeiten.
- Zwangsweise Durchsetzung: Wenn Provider die Einsicht in die Accounts verweigern, bleibt den Erben nur der Weg über eine gerichtliche Klage und die Zwangsvollstreckung.
- Postmortales Persönlichkeitsrecht: Bei der Weiternutzung eines Accounts sollten Erben vorsichtig sein, da sie sonst gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen verstoßen könnten. Um dies zu vermeiden, sollte die Weiternutzung klar kenntlich gemacht werden.
- Haftungsrisiko: Erben können auch für Postings haftbar gemacht werden, die der Erblasser verfasst hat. Es ist daher ratsam, den Account kritisch zu überprüfen, bevor er fortgeführt wird.
Die Perspektive der Pflichtteilsberechtigten: Der wirtschaftliche Wert des Accounts
Auch die digitalen Bestandteile des Nachlasses können für die Ermittlung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs relevant sein. Während das reine Zugangsrecht oft keinen Wert hat, kann die postmortale Nutzung eines Accounts mit vielen Followern eine lukrative Einnahmequelle erschließen. In diesem Fall kann der Account einen Verkehrswert haben, der bei der Pflichtteilsberechnung zu berücksichtigen ist.
Quellenangabe:
Dr. Anna Herzing, „Weiternutzung eines Social-Media-Accounts nach dem Tod des Accountinhabers: Praktische Herausforderungen für Rechtsanwender vor und nach dem Erbfall“, ZEV 2025, 646 ff.BGH, Entscheidung vom 12.07.2018.
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