Digitaler Nachlass: Erben haben vollen Zugriff auf Social-Media-Konten – Die Haftungsrisiken
Die Frage nach dem Schicksal von Social-Media-Accounts nach dem Tod ist juristisch geklärt: Erben treten in das Vertragsverhältnis mit dem Provider ein und sind damit berechtigt, die Accounts aktiv fortzuführen. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat dies in konsequenter Fortführung der BGH-Rechtsprechung erneut bejaht. Doch die umfassenden postmortalen Nutzungsbefugnisse der Erben bringen für die Praxis erhebliche Risiken und Pflichten mit sich.
I. Die Rechte der Erben: Volle Zugriffs- und Nutzungsbefugnis
Die Erben sind durch das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge ($\S 1922$ BGB) berechtigt, den Account wie der Erblasser zu Lebzeiten zu nutzen. Die Provider versuchen jedoch, diese Rechte einzuschränken.
- Gedenkzustand ist unwirksam: Provider schränken den Zugang oft durch den sogenannten Gedenkzustand ein. Das BAG hat solche Klauseln jedoch als unwirksam bewertet, da sie gegen den Grundgedanken der Vererblichkeit sämtlicher vertraglicher Rechte verstoßen.
- Zwangsweise Durchsetzung: Wenn Provider den Zugang verweigern (z.B. aus technischen Gründen oder aus Verweis auf die US-Rechtslage), müssen Erben den Zugriff gerichtlich einklagen und den Anspruch auf Zugang und Nutzung titulieren lassen.
II. Die Haftungsrisiken der Erben: Postings und Persönlichkeitsrecht
Erben, die den Account aktiv weiterführen, müssen sich der Haftungsrisiken bewusst sein:
- Haftung für Altes: Durch die nach außen sichtbare Weiternutzung machen sich Erben die beleidigenden oder herabwürdigenden Postings des Erblassers zu eigen. Ein objektiver Betrachter nimmt an, dass die Beiträge vom aktuellen Inhaber stammen. Den Erben drohen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche Dritter.
- Postmortales Persönlichkeitsrecht: Die Weiternutzung kann gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen verstoßen, wenn der Eindruck entsteht, die Postings stammten vom ursprünglichen Accountinhaber. Die Weiternutzung muss daher klar als postmortal gekennzeichnet werden (z.B. durch eine Traueranzeige im Profil).
III. Die Notwendigkeit der Digitalen Vorsorge
Angesichts der umfassenden Befugnisse der Erben und der Haftungsrisiken ist eine vorausschauende Planung des digitalen Nachlasses unerlässlich.
- Ausschluss der Erben: Wer den Zugang oder die aktive Nutzung durch die Erben verhindern will (z.B. bei besonders privaten Inhalten), muss dies im Testament durch eine Auflage regeln, die die Erben zur Kündigung verpflichtet.
- Masterpasswort und Vermächtnis: Soll der Account an eine bestimmte Vertrauensperson gehen, kann dies durch ein Vermächtnis geregelt werden. Ergänzend sollte eine Liste mit Zugangsdaten erstellt werden, die sicher verwahrt wird.
Quellenangabe:
Dr. Anna Herzing, „Weiternutzung eines Social-Media-Accounts nach dem Tod des Accountinhabers: Praktische Herausforderungen für Rechtsanwender vor und nach dem Erbfall“, ZEV 2025, 646 ff.
$\S 1922$ Abs. 1, $\S 307$ Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
(Verweist auf BGH, Urteile von 2018 und 2020).
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