Echtheit des Testaments: Wann das Gericht auf ein weiteres Gutachten verzichtet
Im Erbscheinsverfahren ist die Echtheit eines handschriftlichen Testaments oft entscheidend. Das Gericht stützt sich dabei regelmäßig auf ein Schriftvergleichsgutachten. Doch wie muss dieses Gutachten beschaffen sein, und wann muss das Gericht ein zweites Gutachten einholen? Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat in einem Beschluss vom 5. Mai 2025 (Az.: 3 W 80/24) die Grenze für die Notwendigkeit weiterer Beweiserhebungen geklärt.
I. Die Notwendigkeit des „vernünftigen Zweifels“
Das OLG Brandenburg stellte klar, dass das zur Entscheidung berufene Gericht nur dann ein weiteres Gutachten einholen muss ($\S 412$ ZPO), wenn es „vernünftige Zweifel“ an der Echtheit des Testaments hat.
- Keine absolute Gewissheit nötig: Die Beweiswürdigung ($\S 26$ FamFG) erfordert keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es reicht aus, wenn das Gericht von der Echtheit überzeugt ist.
- Wahrscheinlichkeitsaussage genügt: Selbst wenn der Sachverständige aufgrund objektiver Befundlücken (z.B. fehlendes Vergleichsmaterial) in seinem Gutachten nur eine weit überwiegende, einfache oder hohe Wahrscheinlichkeit der Urheberschaft des Erblassers feststellt, kann dies zur Überzeugung des Gerichts ausreichen.
- Voraussetzungen für ein neues Gutachten: Die Einholung eines weiteren Gutachtens ist nur geboten, wenn das vorliegende Gutachten ungenügend ist (z.B. widersprüchlich) oder Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen bestehen.
II. Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil gibt wichtige Hinweise für Erben, die die Echtheit eines Testaments anfechten wollen:
- Anfechtung muss substantiiert sein: Die bloße Behauptung, das Testament sei gefälscht, reicht nicht. Die Anfechtung muss sich auf konkrete Mängel des Gutachtens oder der Sachkunde des Gutachters stützen.
- Wissenschaftliche Begründung ist ausschlaggebend: Ist das Gutachten wissenschaftlich fundiert, wird das Gericht die darin festgestellte Wahrscheinlichkeit der Urheberschaft in seine freie Beweiswürdigung einbeziehen.
Quellenangabe:
OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.05.2025, Az.: 3 W 80/24, BeckRS 2025, 10671.
$\S 2247$ Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), $\S 412$ Zivilprozessordnung (ZPO), $\S 26$ Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
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