Erbausschlagung mit EU-Bezug: Die Gültigkeit der Erklärung bei konkurrierenden Gerichtsständen
Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) hat die Rechtsnachfolge in der EU vereinfacht, doch im Einzelfall können weiterhin komplexe Probleme entstehen, insbesondere wenn es um die Erbausschlagung geht und Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit beanspruchen. Das Amtsgericht (AG) Hagen hat in einem Beschluss vom 22. April 2025 (Az.: 140 C 22/24) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die die Wirkungen einer in den Niederlanden abgegebenen Ausschlagungserklärung auf das deutsche Nachlassverfahren betreffen.
Der Fall: Zwei Nachlassverfahren in der EU
Ein Erblasser (E), der in Deutschland lebte, aber zuvor seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden hatte, verstarb. Die Witwe (Beklagte), die in Polen lebt, war potenziell Erbin.
- Zwei Zuständigkeiten: Es wurden Nachlassverfahren beim AG Hagen (Deutschland) und beim Gericht in Limburg/Roermond (Niederlande) anhängig. Beide Gerichte hielten sich für international zuständig nach $Art. 4$ EuErbVO.
- Problem der Ausschlagung: Die Witwe hatte die Erbschaft nach deutschem Recht beim AG Hagen nicht form- und fristgerecht ausgeschlagen, aber möglicherweise später beim niederländischen Gericht eine Ausschlagungserklärung abgegeben.
Die Fragen an den EuGH: Einheitliche Wirkung der Ausschlagung
Das AG Hagen muss für die Entscheidung über die Räumungsklage (die Witwe haftet als Erbin für die Miete) wissen, ob die Witwe die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat. Die Fragen an den EuGH zielen auf eine unionsrechtlich einheitliche Lösung ab:
- Wirksamkeit der Ausschlagung an einem konkurrierenden Gericht: Kann eine Erbin an einem Gericht eines Mitgliedstaates (Niederlande) eine wirksame Ausschlagungserklärung abgeben, die auch für ein Nachlassverfahren in einem anderen Mitgliedstaat (Deutschland) gilt?
- Maßgeblichkeit des ersten Verfahrens: Kommt es darauf an, dass die Ausschlagungserklärung im ersten bekannt gewordenen Verfahren (dem Verfahren des AG Hagen) abgegeben wird, oder kann der Erbe frei wählen, in welchem Verfahren er die Ausschlagung erklärt?
- Substitution der Erklärung: Ersetzt eine wirksam in einem Mitgliedstaat abgegebene Ausschlagungserklärung die an einem anderen Mitgliedstaat abzugebende Erklärung?
Bedeutung für die Praxis
Dieses Vorabentscheidungsersuchen ist von grundlegender Bedeutung für die Anwendung der EuErbVO. Es geht um die zentrale Frage, ob die Rechtsfolge einer Gestaltungserklärung (Erbausschlagung) in der gesamten EU einheitlich anerkannt wird, selbst wenn konkurrierende Gerichte involviert sind.
- Nachlasseinheit: Das Urteil des EuGH wird bestimmen, wie stark der Grundsatz der Nachlasseinheit und der gegenseitigen Anerkennung bei der Erbausschlagung gewichtet wird.
Quellenangabe:
AG Hagen, Beschluss vom 22.04.2025, Az.: 140 C 22/24.
$\text{Art. } 4, 17, 28 \text{ Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO)}$.
$\text{Art. } 267 \text{ Abs. } 2 \text{ Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)}$.
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