Erbe ausschlagen für Kind: Indizwirkung bei Überschuldung des Nachlasses
Die Entscheidung, eine Erbschaft auszuschlagen, ist für einen Elternteil, der für sein minderjähriges Kind handelt, eine große Verantwortung. Diese Ausschlagung bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung (§ 1643 Abs. 3 BGB). Das Gericht prüft dabei, ob die Ausschlagung dem Kindeswohl dient. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in einem Beschluss vom 24. Oktober 2024 (Az.: II-3 WF 81/24) klargestellt, dass die Ausschlagung durch andere nahe Angehörige ein starkes Indiz für eine Überschuldung des Nachlasses sein kann.
Der Fall: Erbausschlagung durch die gesamte Familie
Der Großvater eines minderjährigen Kindes verstarb. Alle drei Söhne des Verstorbenen, darunter auch der Vater des Kindes, lehnten das Erbe für sich und ihre Kinder ab. Der minderjährige Enkel war somit als Nächster in der gesetzlichen Erbfolge. Die Mutter des Kindes beantragte daher die familiengerichtliche Genehmigung, auch für ihren Sohn das Erbe auszuschlagen.
Das Familiengericht lehnte den Antrag ab, da es den Nachlass nicht als überschuldet ansah und eine Immobilie im Wert von 75.000 € zum Nachlass gehörte. Die Mutter legte Beschwerde ein und verwies unter anderem auf die fehlende Transparenz der Finanzen einer GmbH des Verstorbenen sowie die damit verbundenen Haftungsrisiken.
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf: Ausschlagungen als starkes Indiz
Das OLG Düsseldorf gab der Mutter Recht und erteilte die familiengerichtliche Genehmigung zur Erbausschlagung.
Entscheidend für das Gericht war die Indizwirkung der Ausschlagungen aller nahen Familienmitglieder. Das Gericht argumentierte, dass nahe Angehörige des Verstorbenen in der Regel eine bessere Einsicht in dessen finanzielle Verhältnisse haben. Wenn sie alle das Erbe ausschlagen, spricht dies mit großer Wahrscheinlichkeit für eine Überschuldung. Die Tatsache, dass eine Immobilie zum Nachlass gehörte, stand dieser Annahme nicht entgegen, da offene Fragen zu den Schulden der GmbH und den privaten Verbindlichkeiten des Erblassers bestanden.
Das OLG sah die Gefahr einer Überschuldung des Nachlasses als nicht ausreichend ausgeräumt an. Das bestehende Risiko von Haftungsansprüchen, insbesondere im Zusammenhang mit der GmbH, könnte sich nachteilig für das Kind auswirken. Die Ausschlagung des Erbes diente daher dem Kindeswohl am besten.
Was bedeutet das für die Praxis?
- Familiäre Ausschlagungen als Argument: Eltern, die das Erbe für ihre minderjährigen Kinder ausschlagen wollen, können die Ausschlagungen anderer naher Familienmitglieder als starkes Argument für eine Überschuldung anführen.
- Familiengerichtliche Genehmigung: Die Genehmigung einer Erbausschlagung für Minderjährige hängt stets davon ab, ob die Ausschlagung dem Kindeswohl dient. Bei klaren Anzeichen einer Überschuldung wird die Genehmigung in der Regel erteilt.
- Risiko- vs. Chancenabwägung: Auch wenn es werthaltige Vermögensgegenstände im Nachlass gibt, können unklare Verbindlichkeiten oder Haftungsrisiken die Waage zugunsten einer Ausschlagung neigen.
Der Fall unterstreicht die Wichtigkeit, sich als Erbe umfassend über die Zusammensetzung des Nachlasses zu informieren, bevor eine Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung getroffen wird.
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