Erbeinsetzung: Wenn ein einzelner Gegenstand das gesamte Erbe ausmacht

Das OLG Brandenburg klärt: Die Zuwendung eines einzelnen, aber wertvollen Nachlassgegenstands kann eine Erbeinsetzung bedeuten, auch wenn das Wort „Erbe“ fehlt.

In vielen handschriftlichen Testamenten weisen Erblasser einzelne Vermögensgegenstände bestimmten Personen zu, ohne den Begriff "Erbe" zu verwenden. Dies führt nach dem Tod oft zu Streitigkeiten. Doch wie interpretiert ein Gericht in solchen Fällen den Willen des Erblassers? Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat in einem Beschluss vom 6. März 2025 (Az.: 3 W 24/24) entschieden, dass die Zuwendung eines einzelnen, aber sehr wertvollen Gegenstands als Erbeinsetzung gelten kann.

Der Fall: Zwei widerstreitende Erbscheinsanträge

Im vorliegenden Fall gab es keine ausdrückliche Erbeinsetzung. Der Erblasser hatte in seinem Testament nur über einzelne Nachlassbestandteile verfügt. Da diese Verfügungen den gesamten Nachlass erschöpften, war das Nachlassgericht mit zwei widerstreitenden Erbscheinsanträgen konfrontiert. Das Gericht musste klären, ob es sich bei der Zuwendung um eine Erbeinsetzung oder nur um ein Vermächtnis handelte.

Die OLG-Entscheidung: Der Wertverhältnis als Anhaltspunkt

Das OLG Brandenburg bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts. Es stellte fest, dass die Zuwendung von Einzelgegenständen, die den gesamten Nachlass erschöpfen, eine Erbeinsetzung enthält. Das Gericht nannte zwei wesentliche Anhaltspunkte für diese Auslegung:

  • Der Wert des Gegenstands: Ein entscheidender Faktor ist das Wertverhältnis des zugewendeten Gegenstands zum Gesamtnachlass.
  • Der Wille des Erblassers: Maßgebend ist dabei die Vorstellung des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Es kommt also nicht auf den tatsächlichen Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls an, sondern darauf, wie der Erblasser die Werte damals eingeschätzt hat.

Das Gericht verwies dabei auf die Auslegungsregel des §2087 Abs. 2 BGB, wonach die Zuwendung einzelner Gegenstände im Zweifel als Vermächtnis gilt. Diese Regel findet aber keine Anwendung, wenn der Erblasser mit den Zuwendungen seinen gesamten Nachlass verteilt hat.

Was bedeutet das für die Praxis?

Dieses Urteil ist ein wichtiger Hinweis für alle, die ein Testament verfassen:

  • Eindeutige Formulierung: Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Sie in Ihrem Testament klare Begriffe wie "Erbe" verwenden.
  • Vorsicht bei Einzelzuweisungen: Wenn Sie Ihren gesamten Nachlass über Einzelzuweisungen verteilen, riskieren Sie, dass die Gerichte später interpretieren müssen, wer Ihr Haupt-Erbe sein soll. Dies kann zu langwierigen und teuren Streitigkeiten führen.
  • Anhaltspunkt Wertverhältnis: Das Wertverhältnis der zugewendeten Gegenstände ist für Gerichte ein wichtiger Indikator für den Willen des Erblassers.

Quellenangabe:

OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.03.2025, Az.: 3 W 24/24, BeckRS 2025, 6635.§2087 Abs. 2, §§1944,1945 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).§15 Abs. 2 S. 2, §352e Abs. 3 S. 3 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

Benötigen Sie rechtliche Unterstützung im Erbrecht?

Unsere Experten stehen Ihnen zur Seite! Vereinbaren Sie jetzt eine Erstberatung und lassen Sie sich umfassend zu Ihren Rechten und Möglichkeiten beraten. Kontaktieren Sie uns noch heute!