Erbscheinsverfahren: „Kosten des Verfahrens“ umfasst keine Anwaltskosten
Die Kostentragung im Erbscheinsverfahren richtet sich nach billigem Ermessen ($\S 81$ FamFG) und ist oft eine Quelle für nachträgliche Streitigkeiten. Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hat in einem Beschluss vom 8. Oktober 2025 (Az.: 9 W 95/25) klargestellt: Eine pauschale Auferlegung der „Kosten des Verfahrens“ an einen unterlegenen Beteiligten enthält regelmäßig nicht die Anordnung zur Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten des Gegners.
I. Der Fall: Streit um die Erstattung der Anwaltskosten
Im vorliegenden Fall hatte ein Amtsgericht entschieden, dass die Schwester (Beteiligte zu 2), die die Wirksamkeit eines Testaments bestritten hatte, die „Kosten des Verfahrens“ zu tragen habe. Die siegreiche Schwester (Beteiligte zu 1) beantragte daraufhin die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von über 7.400 €. Das Amtsgericht gab diesem Antrag statt.
Das OLG Schleswig musste klären, ob die Formulierung „Kosten des Verfahrens“ im Beschluss die Erstattung der Anwaltskosten umfasst.
II. Die OLG-Entscheidung: Keine Erstattung ohne Ermessensentscheidung
Das OLG Schleswig gab der sofortigen Beschwerde statt und hob den Kostenfestsetzungsbeschluss auf.
- Keine klare Anordnung: Der Formulierung „Kosten des Verfahrens“ kann nicht automatisch entnommen werden, dass damit auch die notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen eines anderen Beteiligten gemeint sind.
- Notwendigkeit der Ermessensentscheidung: Für die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten auf einen anderen Beteiligten ist eine hinreichend klare Ermessensentscheidung des Gerichts erforderlich, in der sämtliche Umstände nach $\S 81$ FamFG gewürdigt werden.
- Unzureichende Begründung: Die schlichte Entscheidung, dass ein Beteiligter die Kosten trägt, ist keine ausreichende Begründung für die Auferlegung der Anwaltskosten des Gegners. Es fehlte eine konkrete Begründung für die Auferlegung der Anwaltskosten.
III. Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil ist ein wichtiger Hinweis für Anwälte und Nachlassgerichte.
- Fehlende Klarheit = keine Erstattung: Fehlt eine ausdrückliche Regelung in der Kostengrundentscheidung, verbleibt es dabei, dass die außergerichtlichen Kosten von demjenigen getragen werden, bei dem sie angefallen sind.
- Keine automatische Auslegung: Die schlichte Auferlegung der „Kosten des Verfahrens“ wird nicht als eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten auf den Gegner interpretiert.
- Forderung nach präziser Tenorierung: Gerichte müssen in ihren Kostenentscheidungen präzise sein und begründen, ob und warum die außergerichtlichen Kosten eines Beteiligten von einem anderen getragen werden müssen.
Quellenangabe:
OLG Schleswig, Beschluss vom 08.10.2025, Az.: 9 W 95/25, BeckRS 2025, 26336.
$\S 81$ Abs. 1 S. 1, $\S 80$ Satz 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
$\S 22$ Abs. 1 Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG).
Benötigen Sie rechtliche Unterstützung im Erbrecht?
Unsere Experten stehen Ihnen zur Seite! Vereinbaren Sie jetzt eine Erstberatung und lassen Sie sich umfassend zu Ihren Rechten und Möglichkeiten beraten. Kontaktieren Sie uns noch heute!