Erbvertrag ändern? Änderungsbefugnis im gemeinschaftlichen Testament und ihre Grenzen

Kann ein Erbvertrag durch ein späteres Testament geändert werden? Was gilt bei einer Öffnungsklausel? Ein Fallbeispiel und die erbrechtliche Analyse.

Die Änderungsbefugnis im gemeinschaftlichen Testament: Was Erben wissen müssen

Ein Erbvertrag ist eine bindende erbrechtliche Verfügung. Eheleute setzen sich häufig in einem solchen Vertrag gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen ihre Kinder als Schlusserben. Doch was passiert, wenn sich die Lebensumstände ändern und einer der Ehegatten nach dem Tod des anderen neue Verfügungen treffen möchte? Eine sogenannte Öffnungsklausel im Erbvertrag kann hier eine Rolle spielen.

Der Fall:

Die Eheleute E und F hatten in einem notariellen Erbvertrag Folgendes vereinbart:

  • Gegenseitige Einsetzung als Alleinerben.
  • Die drei gemeinsamen Kinder wurden als Schlusserben bestimmt.
  • Der Erbvertrag enthielt eine Pflichtteilsstrafklausel.
  • Es gab eine Öffnungsklausel, die dem Längstlebenden das Recht einräumte, die Schlusserbenbestimmung nach dem Tod des Erstversterbenden ohne jede Einschränkung zu ändern.

Nach dem Tod der F heiratete E erneut und errichtete ein handschriftliches Testament. Darin setzte er seine neue Ehefrau A zur „Alleinerbin – Vorerbin“ ein. Weiter verfügte er: „Sollte eines meiner Kinder auf der sofortigen Auszahlung des Pflichtteils bestehen, soll es nach dem Ableben der Vorerbin auch nur den Pflichtteil erhalten.“

Nach dem Tod der A beantragten die drei Kinder einen gemeinschaftlichen Erbschein aufgrund der ihrer Ansicht nach eingetretenen Nacherbfolge (mit dem Tod der A) als Miterben zu je 1/3. Dem trat der Bruder von A entgegen und berief sich auf ein eigenes Testament der A, in dem er zu deren Erben eingesetzt worden sei.

Die rechtliche Beurteilung:

Die entscheidende Frage ist, ob das spätere Testament des E, in dem er A zur Vorerbin einsetzte, die ursprüngliche Schlusserbeneinsetzung der Kinder im Erbvertrag wirksam abgeändert hat.

Aufgrund der umfassenden Öffnungsklausel im Erbvertrag war E nach dem Tod seiner ersten Frau F grundsätzlich berechtigt, die Schlusserbeneinsetzung neu zu regeln. Die Einsetzung der A als Vorerbin stellt eine solche Neuregelung dar.

Allerdings ist zu prüfen, welche Auswirkungen die Einsetzung als „Vorerbin“ hat. Eine Vorerbschaft (§ 2100 BGB ff.) bedeutet, dass der Vorerbe den Nachlass zwar nutzen kann, aber in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist, um die Rechte des Nacherben zu schützen. Mit dem Tod des Vorerben tritt die Nacherbfolge ein.

In diesem Fall hatten E und F ihre Kinder als Schlusserben bestimmt. Durch die Öffnungsklausel konnte E diese Bestimmung ändern. Er hat A zur Vorerbin eingesetzt. Die ursprüngliche Bestimmung der Kinder als Schlusserben könnte somit als Nacherbeneinsetzung nach dem Tod der A zu verstehen sein.

Die im Testament des E enthaltene Pflichtteilsstrafklausel in Bezug auf die Nacherbschaft deutet ebenfalls darauf hin, dass E die Kinder weiterhin in einer bestimmten Weise am Nachlass beteiligen wollte.

Das bedeutet, dass mit dem Tod der A die im Erbvertrag bestimmten Schlusserben (die Kinder) nunmehr Nacherben geworden wären. Das Testament der A, in dem sie ihren Bruder zum Erben einsetzte, würde sich nur auf ihren eigenen Nachlass beziehen und nicht die Nacherbschaft nach E berühren.

Fazit:

Es spricht viel dafür, dass der Antrag der drei Kinder auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins als Nacherben zu je 1/3 begründet ist. Die umfassende Öffnungsklausel erlaubte E zwar eine neue Erbeneinsetzung, die Einsetzung der A als Vorerbin in Verbindung mit der ursprünglichen Schlusserbeneinsetzung der Kinder führt aber wahrscheinlich dazu, dass die Kinder nun Nacherben nach dem Tod der Vorerbin A sind. Das Testament der A berührt diese Nacherbenstellung nicht.

Dieser Fall zeigt die Komplexität erbrechtlicher Regelungen und die Bedeutung von Öffnungsklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen.

Quellenangabe:

Die Ausführungen basieren auf einer hypothetischen Fallgestaltung im Kontext des Erbrechts (§§ 2278 ff., 2064 ff., 2100 ff. BGB). Eine konkrete rechtliche Beratung kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände erfolgen.

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