Erbvertrag ändern: Der Zuwendungsverzicht als Gestaltungsmittel

Ein Erbvertrag ist bindend. Doch ein Urteil des OLG Köln zeigt: Ein Zuwendungsverzicht ermöglicht es, den Vertrag zu lockern und neue Verfügungen zu treffen.

Ein Erbvertrag ist eine der stärksten Formen der letztwilligen Verfügung, da er den Erblasser in seiner Testierfreiheit bindet. Eine einmal getroffene Erbeinsetzung kann vom überlebenden Vertragspartner oft nicht mehr geändert werden. Doch was passiert, wenn sich die Lebensumstände ändern? Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in einem Beschluss vom 2. Juni 2021 (Az.: 2 Wx 145/21) einen Weg aufgezeigt, wie die starre Bindung eines Erbvertrags durch einen Zuwendungsverzicht gelockert werden kann.

Der Fall: Der Sohn verzichtet zugunsten des Vaters

Ein Erblasser (E) und seine Ehefrau hatten 1968 einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie ihren Sohn (S) als Schlusserben und dessen Abkömmlinge als Ersatzerben einsetzten. Der Vertrag war bindend.

Viele Jahre später, 2019, schlossen E und S einen Zuwendungsverzichtsvertrag. In diesem verzichtete S auf sein Erbrecht „insoweit, als hierdurch die Wirksamkeit der von E beabsichtigten Verfügungen... verhindert werden würde.“ Dies umfasste die Einsetzung als Vorerbe, die Anordnung einer Nacherbfolge sowie einer Testamentsvollstreckung. Der Vater E erstellte daraufhin ein neues Testament mit diesen Regelungen.

Die OLG-Entscheidung: Bindungswirkung wird durch Verzicht aufgehoben

Das OLG Köln gab dem neuen Testament Recht. Es stellte fest, dass ein durch Erbvertrag eingesetzter Erbe, wie in diesem Fall der Sohn, nicht daran gehindert ist, auf die Zuwendung zu verzichten.

  • Bedingte Wirkung des Verzichts: Die im Vertrag formulierte Beschränkung auf einen Teil der Zuwendung war rechtlich zulässig. Ein teilweiser Zuwendungsverzicht ermöglicht es dem Erblasser, die Erbeinsetzung zu modifizieren.
  • Erstreckung auf Abkömmlinge: Der Verzicht des Sohnes wirkte sich auch auf dessen Abkömmlinge aus. Dadurch konnte der Erblasser die Abkömmlinge mit einer Nacherbfolge und einer Testamentsvollstreckung beschweren, obwohl dies ursprünglich nicht im Erbvertrag vorgesehen war.
  • Anwendbarkeit alten Rechts: Das Gericht entschied, dass der Zuwendungsverzicht auch auf einen vor dem Jahr 2010 abgeschlossenen Erbvertrag anwendbar ist, da der Verzicht selbst erst nach diesem Stichtag erfolgte.

Fazit für die Nachlassplanung

Dieses Urteil ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie flexibel die Nachlassgestaltung auch bei bindenden Erbverträgen sein kann.

  1. Flexibilität trotz Bindung: Ein Erbvertrag schränkt die Testierfreiheit stark ein, aber durch einen nachträglichen Zuwendungsverzicht können die Beteiligten den ursprünglichen Willen des Erblassers anpassen.
  2. Maßgeschneiderte Lösungen: Der teilweise Zuwendungsverzicht ist ein effektives Instrument, um die Erbeinsetzung durch die Anordnung einer Vorerbschaft oder Testamentsvollstreckung zu beschränken, ohne den gesamten Vertrag aufheben zu müssen.

Lassen Sie sich bei der Gestaltung oder Änderung eines Erbvertrags von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten, um den Willen aller Beteiligten rechtssicher umzusetzen.

Quellenangabe:

OLG Köln, Beschluss vom 02.06.2021, Az.: 2 Wx 145/21.§ 2352 Satz 2 und 3, § 2349, § 2289 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).Artikel 229 § 23 Abs. 4 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB).

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