Erbverzicht: Wie Sie die Wirkung auf einzelne Abkömmlinge beschränken können
Ein Erbverzichtsvertrag ist ein wirksames Instrument der Nachlassplanung, das jedoch sorgfältig gestaltet sein muss. Normalerweise erstreckt sich ein solcher Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht eines Kindes automatisch auf dessen Abkömmlinge (§2349 BGB). Doch das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat in einem Beschluss vom 21. Juni 2021 (Az.: 21 W 39/21) klargestellt, dass die Parteien diese Wirkung auf einzelne Abkömmlinge beschränken können.
Der Fall: Erbverzicht mit gezielter Begünstigung eines Enkels
Eine Erblasserin und ihre Tochter schlossen einen Erbverzichtsvertrag. Die Tochter verzichtete auf ihr gesetzliches Erbe, unter der Bedingung, dass dieses „Erbe meinem Sohn... (B2) zufällt“. Das Ziel war, dass der Erbteil der Tochter nicht auf beide ihrer Kinder (die Enkel der Erblasserin) übergehen sollte, sondern ausschließlich auf einen davon.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die zweite Tochter einen Erbschein, der die beiden Enkelkinder (B2 und B3) je zur Hälfte als Miterben auswies, da sie den Verzicht für unwirksam hielt. Das Nachlassgericht gab ihr zunächst recht.
Die OLG-Entscheidung: Beschränkung auf einzelne Enkel ist zulässig
Das OLG Frankfurt am Main hob diese Entscheidung auf und gab dem Enkel (B2) Recht.
- Zulässigkeit der Beschränkung: Die Richter entschieden, dass §2349 BGB den Vertragsparteien die Möglichkeit gibt, die ansonsten für den gesamten Stamm geltende Wirkung des Verzichts aufzuheben und gezielt einzelne Abkömmlinge von der Verzichtswirkung auszunehmen.
- Auslegung der Bedingung: Die Formulierung der Bedingung im Vertrag („dass das Erbe meinem Sohn... zufällt“) wurde so ausgelegt, dass die Tochter auf ihr Erbe verzichtete, damit der dadurch frei gewordene Erbteil an ihrer Stelle dem Enkel B2 zukommen sollte. Dies galt für die Richter auch im Wege der gesetzlichen Erbfolge.
Was bedeutet das für die Nachlassplanung?
Dieses Urteil ist ein wichtiges Signal für alle, die eine maßgeschneiderte Nachlassplanung vornehmen möchten:
- Individuelle Gestaltung: Mit einem Erbverzichtsvertrag können Sie nicht nur ganze Stämme von der Erbfolge ausschließen, sondern auch innerhalb eines Stammes gezielte Begünstigungen vornehmen.
- Klare Formulierung: Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten solche Verträge sehr präzise formuliert werden. Das Urteil zeigt, dass es auf jedes Wort ankommen kann.
- Risiko- und Chancenabwägung: Ein Erbverzicht kann die Pflichtteilsquoten der anderen Erben erhöhen. Alternativen, wie ein reiner Pflichtteilsverzicht, sollten sorgfältig geprüft werden.
Quellenangabe:
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.06.2021, Az.: 21 W 39/21.§ 2349 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
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