Festsetzungsfrist bei Erbschaftsteuer: Wann ein Zwischenurteil nicht zulässig ist
In komplexen Erbschaftsfällen, insbesondere bei Verdacht auf Steuerhinterziehung, stellt sich die Frage nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist. Wenn das Finanzamt eine verlängerte Frist von zehn Jahren geltend macht, muss es das Vorliegen einer Steuerhinterziehung nachweisen. Ein Zwischenurteil in einem solchen Fall kann nicht ergehen, wenn grundlegende Feststellungen fehlen. Das Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Urteil vom 9. April 2025 (Az.: II R 39/21) die Anforderungen an ein solches Zwischenurteil präzisiert.
Der Fall: Angeblicher Erwerb über Stiftung und Lebensversicherung
Ein Mann erbte nach dem Tod seiner Ehefrau ein umfangreiches Vermögen. Die Ehefrau hatte zuvor Vermögenswerte in eine Stiftung und eine Lebensversicherung eingebracht, die den Nachlass erheblich beeinflussten. Der Mann reichte ein Nachlassverzeichnis ein, in dem die Vermögenswerte verschwiegen wurden. Das Finanzamt erließ einen Erbschaftsteuerbescheid. Der Mann legte Einspruch ein und berief sich auf die Festsetzungsverjährung. Das Finanzamt sah jedoch eine verlängerte Festsetzungsfrist von zehn Jahren wegen Steuerhinterziehung als gegeben.
Das Finanzgericht (FG) erließ ein Zwischenurteil, in dem es die Verlängerung der Festsetzungsfrist bejahte.
Die BFH-Entscheidung: Fehlende Feststellungen machen Zwischenurteil unzulässig
Der BFH hob das Urteil des FG auf.
- Voraussetzungen für ein Zwischenurteil: Ein Zwischenurteil kann nur dann ergehen, wenn es sachdienlich ist und alle für die abschließende Beantwortung der Rechtsfrage erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind.
- Fehlende Feststellungen: Im vorliegenden Fall fehlten Feststellungen zu Grund und Höhe des hinterzogenen Steueranspruchs. Die Feststellung, ob eine Steuerhinterziehung vorliegt, ist eine Vorfrage, die bereits vorab geklärt werden muss.
- Beweislast des Finanzamts: Das Finanzamt trägt die Beweislast für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung. Es muss die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des §370 Abgabenordnung (AO) feststellen. Dazu gehören die Höhe der Steuerverkürzung und der Vorsatz des Täters.
Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil ist ein wichtiger Hinweis für alle, die in einem Steuerstrafverfahren wegen Erbschaftsteuer verwickelt sind.
- Rechtssicherheit bei Zwischenurteilen: Der BFH stellt sicher, dass Zwischenurteile nicht leichtfertig ergehen, sondern auf einer soliden tatsächlichen Grundlage beruhen.
- Beweislast des Finanzamts: Das Finanzamt muss eine Steuerhinterziehung umfassend beweisen, bevor es eine verlängerte Festsetzungsfrist annehmen kann.
- Komplexität des Erbrechts: Die Entscheidung macht deutlich, wie komplex die Besteuerung von Erbschaften ist. Das Gericht wies darauf hin, dass die Besteuerung des Stiftungsvermögens von den Herrschaftsbefugnissen der Stifterin abhängt und die Besteuerung von Lebensversicherungsansprüchen von der Art der Berechtigung.
- Fokus auf den Einzelfall: Jede Veranlagung muss im Einzelfall geprüft werden. Pauschale Annahmen sind unzulässig.
Quellenangabe:
BFH, Urteil vom 09.04.2025, Az.: II R 39/21.§3 Abs. 1 Nr. 1 u. 4, §30 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG).§169 Abs. 2 S. 2, §370 Abgabenordnung (AO).§99 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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