Geschäftsunfähigkeit: Gericht muss Privatgutachten zur Vorsorgevollmacht prüfen
Die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht hängt davon ab, dass der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt ihrer Erteilung geschäftsfähig war ($\S 104$ Nr. 2 BGB). Bestehen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, wird oft ein gerichtliches Verfahren zur Bestellung eines Betreuers eingeleitet.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 28. Mai 2025 (Az.: XII ZB 65/25) klargestellt, welche Pflichten das Gericht bei der Beurteilung der Geschäftsfähigkeit hat, insbesondere wenn ein Privatgutachten vorliegt, das dem gerichtlichen Gutachten widerspricht.
I. Die Pflicht zur Aufklärung und Würdigung
Das Gericht ist verpflichtet, die Frage der Geschäftsfähigkeit von Amts wegen aufzuklären. Dabei gilt:
- Prüfpflicht bei Widerspruch: Erhebt ein Privatgutachten Zweifel an der methodisch korrekten Durchführung und Auswertung eines testpsychologischen Verfahrens durch den gerichtlichen Gutachter, muss der Tatrichter die Widersprüche sorgfältig und kritisch würdigen.
- Keine zusätzliche Stellungnahme nötig: Das Gericht muss jedoch nicht zwingend eine ergänzende Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen einholen. Es kann sich auch auf andere Weise Klarheit verschaffen.
II. Die persönliche Anhörung als Beweismittel
Der BGH bestätigte, dass sich das Gericht in einer persönlichen Anhörung der Betroffenen eine eigene Überzeugung von deren Geschäftsfähigkeit bilden kann.
- Eigene Überzeugung des Gerichts: Im vorliegenden Fall führte das LG eine ausführliche persönliche Anhörung der Betroffenen durch. Sie konnte nachvollziehbar begründen, warum sie die ursprüngliche Vollmacht widerrief und nur einer Tochter eine neue Vollmacht erteilte.
- Ergebnis: Die Anhörung reichte dem Gericht aus, um die Wirksamkeit der Vollmacht zu bejahen. Die erteilte Vollmacht stand der Bestellung eines Betreuers entgegen.
III. Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil stärkt die Rechte des Betroffenen und die Stellung der Vorsorgevollmacht.
- Rechtsschutz gegen Gutachten: Betroffene können ein Privatgutachten zur Argumentation gegen die Bestellung eines Betreuers nutzen. Das Gericht muss sich mit dessen Argumenten auseinandersetzen.
- Maßgeblichkeit der Anhörung: Die persönliche Anhörung bleibt ein zentrales Element der gerichtlichen Entscheidungsfindung. Der Wille des Betroffenen hat hohes Gewicht.
- Beweislast bei Anfechtung: Wer die Unwirksamkeit einer Vollmacht behauptet, muss diese positiv nachweisen.
Quellenangabe:
BGH, Beschluss vom 28.05.2025, Az.: XII ZB 65/25.
$\S 104$ Nr. 2, $\S 1814$ Abs. 3 S. 1, S. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
$\S 26, \S 74$ Abs. 7 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).
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