Grobes Äquivalenzmissverhältnis: Sittenwidriger Kaufvertrag zwischen Heimmitarbeiter und Heimbewohner

Ein OLG-Urteil klärt: Der Kauf eines Autos im Wert von 52.000 € für 5.555 € von einem schwerkranken Heimbewohner ist sittenwidrig. Das grobe Missverhältnis begründet eine Vermutung verwerflicher Gesinnung.

Geschäfte zwischen Mitarbeitern von Pflegeheimen und hilfsbedürftigen Bewohnern stehen unter besonderer rechtlicher Beobachtung. Ein extremes Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung führt schnell zur Sittenwidrigkeit des Vertrags ($\S 138$ Abs. 1 BGB). Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat in einem Urteil vom 14. April 2025 (Az.: 6 U 26/24) entschieden, dass der Kauf eines wertvollen Gegenstands zu einem Spottpreis von einem schwerkranken Heimbewohner sittenwidrig ist.

Der Fall: Auto für weniger als ein Zehntel des Wertes

Ein Mitarbeiter eines Pflegeheims kaufte kurz vor dessen Tod den Pkw eines 1936 geborenen, schwerkranken Heimbewohners.

Leistung (Mitarbeiter)Gegenleistung (Heimbewohner)Missverhältnis5.555 EUR52.000 EUR (Verkehrswert des Pkw)Grobes Missverhältnis (weniger als 11% des Wertes)

Die OLG-Entscheidung: Vermutung der verwerflichen Gesinnung

Das OLG Celle entschied, dass der Kaufvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist ($\S 125$ Satz 1 BGB).

  1. Grobes Missverhältnis: Ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist bereits dann grob, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Hier lag der Kaufpreis bei weniger als 11% des Verkehrswertes, was die Schwelle der Sittenwidrigkeit deutlich überschritt.
  2. Vermutung der verwerflichen Gesinnung: Ein solch grobes Missverhältnis begründet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der begünstigte Vertragspartner (der Heimmitarbeiter) aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat.
  3. Keine Erschütterung der Vermutung: Diese Vermutung kann nicht dadurch erschüttert werden, dass der Heimbewohner das Missverhältnis kannte. Gerade die besondere Hilfsbedürftigkeit und der Schwächezustand des Heimbewohners machen die Ausnutzung besonders verwerflich.

Was bedeutet das für die Praxis?

  • Besondere Schutzbedürftigkeit: Bei Verträgen mit schwerkranken und hilfsbedürftigen Personen in Heimen muss der Grundsatz der Ausgewogenheit streng beachtet werden.
  • Keine Umgehung des Schenkungsverbots: Der Versuch, eine Schenkung durch einen Kaufvertrag zu einem Spottpreis zu umgehen, führt zur Nichtigkeit des gesamten Geschäfts.

Quellenangabe:

OLG Celle, Urteil vom 14.04.2025, Az.: 6 U 26/24, BeckRS 2025, 14079.

$\S 138$ Abs. 1, $\S 516$ Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

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