Hospiz-Aufenthalt: Begründet der Wohnortwechsel einen gewöhnlichen Aufenthalt?
Im Erbrecht ist die Zuständigkeit des Nachlassgerichts oft von entscheidender Bedeutung. Sie richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes. Doch was gilt, wenn eine Person ihre letzten Lebensmonate in einem Hospiz verbringt? Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hat in einem Beschluss vom 17. März 2025 (Az.: 3 Wx 65/24) entschieden, dass der alleinige Wechsel in ein Hospiz nicht automatisch einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet.
Der Fall: Streit um den zuständigen Gerichtsstand
Ein Mann lebte seit 2012 in Y. Als er schwer erkrankte, wurde er auf eigenen Wunsch in ein Hospiz in X verlegt, wo seine Eltern und seine Lebensgefährtin lebten. Nach seinem Tod entstand Streit darüber, welches Nachlassgericht zuständig sei: das in Y (seinem langjährigen Wohnort) oder das in X (dem Hospiz-Standort). Das Nachlassgericht in X hatte seine Zuständigkeit bejaht, da der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt aus freien Stücken nach X verlegt habe.
Die OLG-Entscheidung: Es kommt auf den Einzelfall an
Das OLG Schleswig bestätigte die Zuständigkeit des Nachlassgerichts in X, widersprach aber der Annahme, dass ein bloßer Wechsel in ein Hospiz ausreicht.
- Grundsatz: Ein Aufenthalt in einem Hospiz beruht in der Regel auf medizinischer Notwendigkeit, ist zeitlich begrenzt und dient nicht der Begründung sozialer Bindungen. Daher ist er nicht geeignet, einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen.
- Maßgeblichkeit des Einzelfalls: Das Gericht betonte, dass es immer eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände geben muss. Hier wurde der Aufenthalt in X nicht nur durch die Krankheit, sondern auch durch den bewussten Wunsch nach der Nähe zu seiner Familie begründet. Dies zeigte sich in dem Wunsch, von seinen Eltern betreut zu werden, die in X lebten.
- Irrelevanz der Wohnung: Die Tatsache, dass der Erblasser seine Wohnung in Y nicht aufgegeben hatte, stand der Annahme eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts in X nicht entgegen, da er nicht mehr mit einer Rückkehr rechnete.
Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil ist ein wichtiger Hinweis für Erblasser und deren Angehörige:
- Zuständigkeit des Nachlassgerichts: Der gewöhnliche Aufenthalt ist dort, wo sich der Daseinsmittelpunkt des Erblassers befindet.
- Hospiz-Aufenthalt: Ein Aufenthalt in einem Hospiz oder Pflegeheim begründet nicht automatisch einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt. Der entscheidende Faktor ist der Wille des Erblassers und die damit verbundenen sozialen Bindungen.
- Vorsorgevollmacht: Das Urteil unterstreicht die Wichtigkeit, solche Angelegenheiten frühzeitig in einer Vorsorgevollmacht oder einem Testament zu regeln, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden.
Quellenangabe:
OLG Schleswig, Beschluss vom 17.03.2025, Az.: 3x W 65/24.§65 Abs. 4, §343 FamFG.
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