Motivirrtum im Testament: Anfechtung bei irriger Vorstellung eines Pflegeverhältnisses

Ein Urteil des OLG Oldenburg klärt, dass ein Motivirrtum vorliegt, wenn der Erblasser sich über ein nicht existierendes Vertrauensverhältnis zu seinen Erben täuscht.

Die Anfechtung eines Testaments wegen Motivirrtums ($\S 2078$ Abs. 2 BGB) ist nur in Ausnahmefällen möglich. Ein solcher Irrtum liegt vor, wenn der Erblasser von falschen Tatsachen ausgeht, die ihn zu seiner letztwilligen Verfügung bewegt haben. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat in einem Urteil vom 3. Dezember 2024 (Az.: 12 U 38/22) entschieden, dass die irrtümliche Vorstellung eines beiderseitigen Vertrauensverhältnisses und der Zusage von Pflegeleistungen einen solchen beachtlichen Motivirrtum darstellen kann.

Der Fall: Erbschaft gegen Pflegeversprechen

Ein Erblasser (E) hatte seine Erben testamentarisch eingesetzt, weil er davon ausging, gegen einen monatlichen Betrag bei ihnen wohnen und von ihnen gepflegt zu werden. Später stellte sich heraus, dass die Erben zu keiner Zeit die Absicht hatten, den Erblasser zu pflegen, sondern lediglich am Vermögen des Erblassers interessiert waren.

Die Erben des Erblassers (die nach einer Anfechtung zum Zuge kamen) klagten gegen die ursprünglich Bedachten, die sich ihrerseits auf die Wirksamkeit des Testaments beriefen.

Die OLG-Entscheidung: Irrtum über die Beweggründe

Das OLG Oldenburg bejahte die Möglichkeit einer Anfechtung.

  1. Beachtlicher Motivirrtum: Das Gericht stellte klar, dass die irrtümliche Annahme eines beiderseitigen Vertrauensverhältnisses, verbunden mit der Erwartungshaltung des Erblassers, eine Wohn- und Pflegevereinbarung mit den Erben eingehen zu können, einen Motivirrtum darstellt. Hätte der Erblasser die wahren Absichten der Erben gekannt, hätte er das Testament mutmaßlich nicht errichtet.
  2. Umfassender Auskunftsanspruch: Das Urteil befasste sich auch mit dem Auskunftsanspruch gegen den Bevollmächtigten. Ein Anspruch auf Auskunft über auf der Grundlage einer General- und Vorsorgevollmacht vorgenommene Vermögensbewegungen besteht unabhängig vom Zeitpunkt der Geschäftsunfähigkeit und umfasst den gesamten Zeitraum ab Erteilung der Vollmacht.
  3. Prozessuale Besonderheit: Ein Miterbe kann ein infolge des Todes des Klägers ausgesetztes Verfahren allein wirksam aufnehmen, indem er einen Erbschein vorlegt, der die gesetzliche Vermutung für seine Erbenstellung begründet.

Was bedeutet das für die Praxis?

  • Vertrauen als Geschäftsgrundlage: Wenn das Vertrauen in ein beabsichtigtes Pflegeverhältnis der maßgebliche Beweggrund für eine Erbeinsetzung ist, sollte dies im Testament ausdrücklich als Bedingung oder Auflage formuliert werden, um die Beweisführung bei einem späteren Irrtum zu erleichtern.
  • Auskunftspflicht: Ein Bevollmächtigter muss jederzeit über die Verwaltung des Vermögens Auskunft erteilen.

Quellenangabe:

OLG Oldenburg, Urteil vom 03.12.2024, Az.: 12 U 38/22, BeckRS 2024, 49224.

$\S 2078$ Abs. 2, $\S\S 119, 662, 666$ Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

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