Nachlasspflegschaft auf Antrag: Der Pflichtteilberechtigte als Nachlassgläubiger

Ein OLG-Urteil klärt die Voraussetzungen für eine Nachlasspflegschaft. Ein Pflichtteilsberechtigter kann diese verlangen, selbst wenn der Nachlass dürftig ist.

Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft dient in der Regel dazu, den Nachlass für unbekannte Erben zu sichern. Doch auch ein Nachlassgläubiger kann die Bestellung eines Pflegers beantragen. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in einem Beschluss vom 16. April 2025 (Az.: I-3 W 49/25) die Rechte von Pflichtteilsberechtigten in diesem Kontext gestärkt.

Der Fall: Rückforderung eines Vermächtnisses für den Pflichtteil

Im vorliegenden Fall war die Pflichtteilberechtigte noch nicht in voller Höhe aus dem Nachlass befriedigt worden. Sie argumentierte, dass die Erblasserin (als Alleinerbin ihres vorverstorbenen Mannes) ein Vermächtnis zugunsten ihrer Schwester voll erfüllt hatte. Nach $\S 2318$ Abs. 1 BGB hätte die Erblasserin die Erfüllung des Vermächtnisses jedoch insoweit verweigern dürfen, als die Pflichtteilslast anteilig von der Vermächtnisnehmerin zu tragen gewesen wäre.

Die Pflichtteilberechtigte forderte daher den zu viel geleisteten Betrag nach Bereicherungsrecht in den Nachlass der Erblasserin zurück und beantragte die Nachlasspflegschaft, um diesen Anspruch durchzusetzen.

Die OLG-Entscheidung: Anordnung der Pflegschaft ist zwingend

Das OLG Düsseldorf hob die Aufhebung der Nachlasspflegschaft auf.

  1. Pflichtteilberechtigter als Nachlassgläubiger: Ein bislang nicht befriedigter Pflichtteilberechtigter kann seinen Antrag auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft auf $\S 1961$ BGB stützen.
  2. Rückforderungsanspruch gegen Vermächtnisnehmer: Das Gericht bestätigte die Rechtsauffassung: Der Erbe, der sein Leistungsverweigerungsrecht ($\S 2318$ Abs. 1 BGB) nicht geltend macht, kann den zu viel geleisteten Betrag nach ungerechtfertigter Bereicherung ($\S 813$ Abs. 1 BGB) in den Nachlass zurückfordern. Dieser Anspruch ist Bestandteil des Nachlasses.
  3. Kein sicherungsbedürftiger Nachlass erforderlich: Eine Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Nachlassgläubigers ist zwingend anzuordnen, wenn die Voraussetzungen von $\S 1961$ BGB vorliegen. Es ist nicht erforderlich, dass ein sicherungsbedürftiger oder werthaltiger Nachlass existiert.
  4. Kein Gerichtsverfahren nötig: Der Gläubiger muss seinen Anspruch nicht sogleich gerichtlich geltend machen. Die Bestellung des Pflegers dient auch dazu, außergerichtliche Verhandlungen aufzunehmen.

Was bedeutet das für die Praxis?

  • Rückgriff bei Vermächtnissen: Dieses Urteil gibt Pflichtteilberechtigten ein scharfes Schwert an die Hand. Sie können die Rückforderung des Vermächtnisses verlangen, wenn der Erbe den Pflichtteil nicht aus dem Nachlass erfüllen kann.
  • Pflicht zur Geltendmachung: Das Urteil stärkt indirekt die Pflicht des Erben, sein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Vermächtnisnehmer geltend zu machen, um den Pflichtteil zu schützen.

Quellenangabe:

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.04.2025, Az.: I-3 W 49/25.

$\S 1961, \S 2318$ Abs. 1, $\S 813$ Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

$\S 59$ Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

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