Nachzahlungszinsen bei Erbschaft: Wann der Fiskus keine Gnade kennt
Wenn ein Erbscheinsverfahren über Jahre andauert, kann das für die Erben zu erheblichen Belastungen führen. Insbesondere wenn der Nachlass Einkünfte erzielt, müssen diese nach Abschluss des Verfahrens versteuert werden – oft mit hohen Nachzahlungszinsen. Viele Erben hoffen in solchen Fällen auf einen sogenannten Billigkeitserlass. Doch der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Urteil vom 9. April 2025 (Az.: X R 12/21) klargestellt, dass ein solcher Erlass in der Regel nicht in Betracht kommt.
Der Fall: Jahrelanges Erbscheinsverfahren
Im zugrundeliegenden Fall war ein Erbe über Jahre in ein komplexes Erbscheinsverfahren verwickelt. In dieser Zeit erzielte der Nachlass Einkünfte. Erst nach Abschluss des Verfahrens konnte die Erbfolge eindeutig festgestellt und die Einkünfte versteuert werden. Das Finanzamt setzte hohe Nachzahlungszinsen fest. Der Erbe beantragte daraufhin einen Billigkeitserlass. Er argumentierte, dass er aufgrund der unklaren Erbrechtssituation nicht in der Lage gewesen sei, die Einkünfte früher zu versteuern oder Vorauszahlungen zu leisten.
Die BFH-Entscheidung: Zinsen trotz fehlender Verfügungsmacht
Der BFH wies die Klage des Erben ab und lehnte einen Billigkeitserlass ab.
- Zinspflicht trotz Verzögerung: Auch wenn ein Grundlagenbescheid erst Jahre nach Ende des Veranlagungszeitraums erlassen wird, kann er zu einer Zinspflicht führen. Das Gericht betonte, dass der Umstand, dass der Erbe nicht in der Lage war, die Besteuerungsgrundlagen früher zu ermitteln, keine sachliche Unbilligkeit begründet.
- Liquiditäts- und Zinsvorteil: Die Begründung für die Zinspflicht ist der typisierend angenommene Liquiditäts- und Zinsvorteil, der dem Steuerpflichtigen durch die spätere Zahlung der Steuerschuld entsteht.
- Fehlende Nutzungsmöglichkeit irrelevant: Der BFH stellte klar, dass es für die Zinsfestsetzung keine Rolle spielt, ob der Erbe die Nachlassgegenstände während des Erbscheinsverfahrens tatsächlich nutzen konnte oder nicht.
Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil ist ein wichtiger Hinweis für alle, die in ein langwieriges Erbscheinsverfahren verwickelt sind.
- Hohes Kostenrisiko: Sie müssen auch bei langwierigen Erbstreitigkeiten damit rechnen, dass Sie am Ende hohe Nachzahlungszinsen zahlen müssen.
- Proaktive Zahlungen: Um das Zinsrisiko zu minimieren, sollten Sie in Betracht ziehen, freiwillige Steuervorauszahlungen zu leisten. Das Finanzamt hat hierfür auch ohne einen abschließenden Erbschein die Möglichkeit, Schätzungen vorzunehmen und Vorauszahlungen festzusetzen.
- Keine Ausnahme bei Erbstreit: Das Gericht hat deutlich gemacht, dass ein Erbstreit kein ausreichender Grund für einen Billigkeitserlass ist.
Quellenangabe:
BFH, Urteil vom 09.04.2025, Az.: X R 12/21, BeckRS 2025, 14066.§233a Abs. 2 und 2a Abgabenordnung (AO).
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