Pflichtteilsstrafklausel: Die Geltendmachung „gegen den Willen“ des Erben

Das OLG Zweibrücken urteilt: Eine Pflichtteilsforderung kann die Strafklausel auslösen, selbst wenn der Erbe zustimmt. Es kommt auf die konfrontative Art an.

In vielen Ehegattentestamenten finden sich Pflichtteilsstrafklauseln, die Kinder davon abhalten sollen, nach dem Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil einzufordern. Eine solche Klausel droht, dass das Kind im Schlusserbfall ebenfalls nur den Pflichtteil erhält, wenn es den Pflichtteil beim ersten Erbfall "gegen den Willen des überlebenden Ehegatten" geltend macht.

Doch was bedeutet diese Formulierung rechtlich? Muss der überlebende Ehegatte die Zahlung ausdrücklich verweigern? Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat in einem Beschluss vom 9. Juli 2025 (Az.: 8 W 56/24) klargestellt, wann ein solcher Verstoß vorliegt.

Der Fall: Geltendmachung des Pflichtteils ohne Absprache

Ein Pflichtteilsberechtigter wandte sich nach dem Tod eines Elternteils an den überlebenden Ehegatten, um seinen Pflichtteil einzufordern. Der überlebende Ehegatte zahlte den Betrag anstandslos aus. Im späteren Schlusserbfall beriefen sich die anderen Erben jedoch auf die Pflichtteilsstrafklausel und argumentierten, der Pflichtteil sei bereits "gegen den Willen" des überlebenden Ehegatten geltend gemacht worden.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken: Es kommt auf die Art an

Das OLG Zweibrücken gab den Erben Recht. Die Geltendmachung des Pflichtteils galt als Verstoß gegen die Strafklausel, und zwar unabhängig davon, dass der überlebende Ehegatte die Zahlung anerkannt und geleistet hatte.

  • Konfrontative Geltendmachung: Die Richter stellten fest, dass ein Pflichtteilsberechtigter bereits dann "gegen den Willen" des Erben handelt, wenn er ohne vorherige Absprache oder den Versuch einer Einigung einseitig und in konfrontativer Weise an den Erben herantritt, um die Durchsetzung seiner Ansprüche vorzubereiten.
  • Keine dokumentierte Verweigerung nötig: Es ist nicht erforderlich, dass der Erbe seine Ablehnungshaltung aktiv nach außen dokumentiert hat. Entscheidend ist allein das Vorgehen des Pflichtteilsberechtigten. Die Klausel soll den Erben davor schützen, sich überhaupt mit einer solchen konfrontativen Forderung auseinandersetzen zu müssen.

Bedeutung für die Praxis

Dieses Urteil ist ein wichtiger Fingerzeig für alle, die von einer Pflichtteilsstrafklausel betroffen sind.

  1. Vorsicht bei der Kontaktaufnahme: Ein Erbe, der seinen Pflichtteil nach dem ersten Erbfall nicht verlieren will, sollte die Geltendmachung des Pflichtteils vorsichtig angehen und nicht vorschnell Forderungen stellen.
  2. Einvernehmliche Regelung suchen: Es empfiehlt sich, zuerst das Gespräch mit dem überlebenden Ehegatten zu suchen und eine einvernehmliche Lösung anzustreben, um den Willen zur Kooperation zu dokumentieren. Eine direkte anwaltliche Forderung ohne diese vorherige Absprache kann bereits ausreichen, die Strafklausel auszulösen.

Quellenangabe:

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 09.07.2025, Az.: 8 W 56/24, BeckRS 2025, 15900.

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