Pflichtteilsstrafklausel ohne Schlusserben: Wie Gerichte Ihren Willen deuten

Ein Urteil des OLG Köln klärt: Eine Pflichtteilsstrafklausel in einem gemeinschaftlichen Testament kann eine stillschweigende Einsetzung der Kinder als Schlusserben bedeuten.

In einem gemeinschaftlichen Testament ist die Absicht der Erblasser oft klar: Die Kinder sollen nach dem Tod des länger lebenden Partners erben. Doch was passiert, wenn das Testament zwar eine Pflichtteilsstrafklausel enthält, aber keine Schlusserben benennt? Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat in einem Beschluss vom 12. Dezember 2024 (Az.: 2 Wx 201/24) entschieden, dass auch ohne explizite Benennung die gemeinsamen Kinder als Schlusserben anzusehen sind, wenn dies dem übereinstimmenden Willen der Erblasser entspricht.

Der Fall: Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments

Ein Ehepaar hatte ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament verfasst. Darin hatten sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und eine Pflichtteilsstrafklausel für die gemeinsamen Kinder vorgesehen. Die Kinder waren jedoch nicht ausdrücklich als Schlusserben benannt. Im Testament hieß es zudem: „Der Überlebende ist berechtigt, frei und unbeschränkt über den Nachlass zu verfügen.“ Nach dem Tod des Erstversterbenden stellte sich die Frage, ob die Kinder als Schlusserben einzusetzen sind.

Die OLG-Entscheidung: Die Pflichtteilsstrafklausel als Indiz

Das OLG Köln bejahte eine stillschweigende Erbeinsetzung der gemeinsamen Kinder als Schlusserben.

  1. Pflichtteilsstrafklausel als Indiz: Eine Pflichtteilsstrafklausel ist ein starkes Indiz für den Willen der Erblasser, dass die Kinder nach dem Tod des länger lebenden Elternteils erben sollen. Die Klausel hat nur dann einen Sinn, wenn die Kinder im Schlusserbfall eine Begünstigung erhalten, die über den Pflichtteil hinausgeht.
  2. Bindungswirkung der Kinder: Die Einsetzung gemeinsamer Kinder als Schlusserben ist in der Regel als bindend gewollt anzusehen.
  3. Abgrenzung zur Vor- und Nacherbschaft: Die Klausel, die dem überlebenden Ehepartner "keinerlei Beschränkungen" auferlegt, hebt diese Bindungswirkung nicht auf. Sie dient nach Ansicht des Gerichts nur der Abgrenzung eines Berliner Testaments (Einheitslösung) von einer Vor- und Nacherbschaft (Trennungslösung).

Was bedeutet das für die Praxis?

Dieses Urteil gibt wichtige Hinweise für die Gestaltung von Testamenten.

  • Eindeutige Formulierung ist entscheidend: Auch wenn eine Pflichtteilsstrafklausel als Indiz für eine Schlusserbeneinsetzung gewertet werden kann, sollten Sie die Erben in Ihrem Testament eindeutig und unmissverständlich benennen, um spätere Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden.
  • Wirkung der Pflichtteilsstrafklausel: Eine Pflichtteilsstrafklausel entfaltet ihre Wirkung nur dann, wenn im Schlusserbfall eine Begünstigung oberhalb des Pflichtteils vorgesehen ist.
  • Umfassende Beratung: Bei der Erstellung von gemeinschaftlichen Testamenten ist eine fachkundige Beratung unerlässlich, um sicherzustellen, dass der Wille der Erblasser klar und bindend formuliert wird.

Quellenangabe:

OLG Köln, Beschluss vom 12.12.2024, Az.: 2 Wx 201/24, BeckRS 2024, 44727.§2270,§2271,§2084,§133,§157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Benötigen Sie rechtliche Unterstützung im Erbrecht?

Unsere Experten stehen Ihnen zur Seite! Vereinbaren Sie jetzt eine Erstberatung und lassen Sie sich umfassend zu Ihren Rechten und Möglichkeiten beraten. Kontaktieren Sie uns noch heute!