„Quittung“ als formgültiges Testament: Der Wille zur Rechtsverbindlichkeit zählt
Die Gültigkeit eines handschriftlichen Testaments hängt nicht zwingend von seiner formalen Bezeichnung als "Testament" ab. Entscheidend ist der Testierwille des Erblassers. Das Oberlandesgericht (OLG) München hat in einem Beschluss vom 9. Oktober 2025 (Az.: 33 Wx 44/25 e) entschieden, dass ein als "Quittung" oder "Bestätigung" bezeichnetes Schreiben als formgültiges Testament anerkannt werden kann.
I. Der Fall: Die darlehensweise Summe und die Steuerlast
Ein Erblasser (E) hatte seine Lebenspartnerin (L) in einem nicht unterschriebenen Schriftstück als Alleinerbin eingesetzt. Später verfasste er ein weiteres, eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Schreiben aus dem Jahr 2002. Darin bestätigte er die darlehensweise erhaltene Summe von L für Renovierungsarbeiten und ordnete an:
"Diese Summe ist auf mein beiliegendes, unverändert gültiges Testament anzurechnen und derart zu berücksichtigen, dass im Falle meines Todes die vorgenannte Summe vorweg auf den Nachlass mit dem Haus abgezogen und steuerlich ihr als Erbin zugutekommt."
Die Frage war, ob dieses zweite Schreiben den fehlenden Testierwillen im ersten Schreiben ergänzt und damit eine wirksame Erbeinsetzung vorlag.
II. Die OLG-Entscheidung: Anordnung zur Steuerminderung als Testierwille
Das OLG München bejahte den Testierwillen des Erblassers in dem Schreiben von 2002.
- Formelle Wirksamkeit: Das Dokument von 2002 erfüllte die Anforderungen des $\S 2247$ Abs. 1 BGB (eigenhändig geschrieben und unterschrieben).
- Nachweis des Testierwillens: Der Testierwille ergab sich aus der Anordnung zur Nachlassabwicklung. Der Erblasser ordnete an, dass die Summe „L als Erbin zugutekommt“ und die Steuerbelastung der L im Rahmen der Erbschaftsteuer herabgesetzt werden soll.
- Logische Schlussfolgerung: Diese Anordnung zur Minderung der Erbschaftsteuerlast setzt zwingend voraus, dass L als Erbin berufen ist. Die testamentarische Anordnung zur Behandlung der Schulden war somit ein Ausdruck des Testierwillens zur Erbeinsetzung.
III. Fazit und Praxishinweis
Das Urteil unterstreicht, dass der Testierwille nicht explizit aus dem Wort "Testament" hervorgehen muss.
- Materielle Bedeutung der Anordnung: Jedes handschriftliche Dokument, das im Todesfall Rechtsfolgen anordnet (z. B. Schuldanrechnung, Erlass, Vermächtnisse), kann als Testament gewertet werden.
- Vorsicht bei Ergänzungen: Wenn Sie eine frühere Verfügung ergänzen, muss das spätere Dokument eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein.
Quellenangabe:
OLG München, Beschluss vom 09.10.2025, Az.: 33 Wx 44/25 e, Abruf-Nr. 251288.
$\S 2247$ Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Quelle: Ausgabe 12 / 2025 | Seite 287 | ID 50628532.
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