Rechtsmittel oder Gegenvorstellung? Auslegung bei Ablehnung der Akteneinsicht

Ein Urteil des BayObLG klärt: Ein Anwaltsschreiben, das gegen eine Ablehnung der Akteneinsicht vorgeht, kann als Gegenvorstellung ausgelegt werden, wenn der Wortlaut unklar ist.

Im gerichtlichen Verfahren kann die Abgrenzung zwischen einem förmlichen Rechtsmittel (z.B. einer Beschwerde) und einer bloßen Gegenvorstellung (einem informellen Antrag auf Überdenken der Entscheidung) entscheidend sein. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat in einem Beschluss vom 26. Mai 2025 (Az.: 101 VA 58/25) entschieden, dass der Wortlaut einer als „Rechtmittel“ bezeichneten Erklärung im Einzelfall auch als Gegenvorstellung ausgelegt werden kann.

Der Fall: Streit um Akteneinsicht

Im vorliegenden Fall wandte sich ein Beteiligter mit einem als „Rechtmittel“ bezeichneten Schreiben gegen einen Beschluss, mit dem sein Akteneinsichtsgesuch abgelehnt worden war. Das Gericht musste klären, wie dieses Schreiben prozessual zu behandeln ist.

Die BayObLG-Entscheidung: Auslegung bei unklarem Wortlaut

Das Gericht stellte klar, dass bei einem nicht eindeutigen Wortlaut die Auslegung des Schreibens entscheidend ist.

  1. Auslegung als Gegenvorstellung: Das Gericht kann eine als Rechtsmittel bezeichnete Erklärung als Gegenvorstellung werten, wenn der unklare Wortlaut dies nahelegt.
  2. Folge der Auslegung: Eine Gegenvorstellung hat im Gegensatz zur Beschwerde keinen Devolutiveffekt. Das heißt, das Gericht der ersten Instanz (und nicht das Beschwerdegericht) muss erneut über die Sache entscheiden.

Was bedeutet das für die Praxis?

Dieses Urteil ist ein wichtiger Hinweis für alle Verfahrensbeteiligten.

  • Präzise Formulierung: Wenn Sie eine förmliche Beschwerde einlegen wollen, müssen Sie dies im Schreiben eindeutig zum Ausdruck bringen.
  • Vorteil der Gegenvorstellung: Die Gegenvorstellung ermöglicht dem Ausgangsgericht, seine Entscheidung zu korrigieren, was oft schneller und unkomplizierter ist als ein langes Beschwerdeverfahren.

Quellenangabe:

BayObLG, Beschluss vom 26.05.2025, Az.: 101 VA 58/25, BeckRS 2025, 11439.

$\S 13$ Abs. 7, $\S 58$ Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).

$\S\S 23$ ff. Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (EGGVG).

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