Sorgfaltspflichten einer Bank: Wann ein privatschriftliches Testament nicht ausreicht
Banken müssen die Legitimation von Erben sorgfältig prüfen, bevor sie Konten freigeben. Die Vorlage eines handschriftlichen Testaments reicht dafür oft aus. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts (LG) Bonn vom 22. Januar 2025 (Az.: 2 O 264/24) zeigt jedoch die Grenzen dieser Praxis auf: Eine Bank verletzt ihre Sorgfaltspflicht, wenn sie bei Widersprüchen oder Unklarheiten im Nachweis keine weiteren Nachforschungen anstellt.
Der Fall: Kurz vor dem Tod widerrufenes Testament
Ein 99-jähriger Erblasser verstarb. Den Erbnachweis wollte die Alleinerbin durch die Vorlage eines privatschriftlichen Testaments führen. In diesem Testament wurde ein bereits 1988 verfasstes und beim Amtsgericht hinterlegtes Testament widerrufen. Die Bank akzeptierte das neue Testament und zahlte das Kontoguthaben aus. Die tatsächlichen Erben klagten auf Schadensersatz gegen die Bank.
Die LG-Entscheidung: Gebotene Sorgfaltspflicht verletzt
Das LG Bonn urteilte, dass die Bank ihre gebührende Sorgfalt ($\S\S 675$ f. BGB) verletzt hatte.
- Anhaltspunkt für Nachforschungen: Der Umstand, dass ein 99-jähriger Kunde kurz vor seinem Tod ein jahrzehntelang hinterlegtes Testament widerrufen soll, musste die Bank zu weiteren Nachforschungen anhalten.
- Prüfung der Bindungswirkung: Die Bank hätte sich das widerrufene Testament (von 1988) vorlegen lassen müssen. Dies war notwendig, um zu prüfen, ob es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelte, bei dem eine Bindungswirkung ($\S 2271$ BGB) eingetreten war. Die Bindung hätte den späteren Widerruf unwirksam gemacht.
- Fehlender Nachweis: Da die Bank diese Prüfung unterließ, ließ sie die gebotene Sorgfalt außer Acht.
Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil ist ein wichtiger Hinweis für Banken und Erben.
- Hohe Sorgfaltspflicht bei Alttestamenten: Die Bank muss bei handschriftlichen Testamenten, die ältere, hinterlegte Testamente widerrufen, besonders kritisch sein und die Hinterlegungsstelle kontaktieren.
- Prüfung der Wechselbezüglichkeit: Die Bank muss die Wirksamkeit des Widerrufs eines früheren Testaments zumindest grob prüfen, um spätere Haftungsrisiken zu vermeiden.
- Erben müssen vollständige Dokumente vorlegen: Um die Auszahlung zu beschleunigen, sollten Erben der Bank alle relevanten Dokumente (auch die widerrufenen) unaufgefordert in Kopie vorlegen.
Quellenangabe:
LG Bonn, Urteil vom 22.01.2025, Az.: 2 O 264/24, BeckRS 2025, 22815.
$\S\S 675$ f, $\S 2271$ Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
AGB-Banken 7/2018 Nr. 5.
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