Sparkasse muss Schadenersatz leisten: Wenn die Generalvollmacht den Erbschein ersetzt
Stirbt ein Kontoinhaber, verlangen Banken und Sparkassen oft die Vorlage eines Erbscheins, bevor sie das Guthaben an die Erben auszahlen. Doch was gilt, wenn der Erblasser eine postmortale Vollmacht erteilt hat? Das Landgericht (LG) Memmingen hat in einem Urteil vom 28. Oktober 2019 (Az.: 22 O 257/19) entschieden, dass sich ein Kreditinstitut schadenersatzpflichtig macht, wenn es die Auszahlung des Guthabens bei Vorlage einer solchen Vollmacht verweigert.
Der Fall: Auslands-Testament und Generalvollmacht
Ein Erblasser mit Wohnsitz in Deutschland hatte eine Nichte als Alleinerbin eingesetzt und ihr zudem eine privatschriftliche Generalvollmacht erteilt, die ausdrücklich über seinen Tod hinaus wirksam war. Nach dem Tod des Erblassers legte die Nichte dem Kreditinstitut das Testament, die Eröffnungsniederschrift sowie die Generalvollmacht vor, um das Kontoguthaben abzuheben.
Die Sparkasse verweigerte die Auszahlung und verlangte stattdessen die Vorlage eines Erbscheins. Um die zwischenzeitlich festgesetzte Erbschaftsteuer begleichen zu können, musste die Nichte einen Erbschein beantragen und die Steuer vorfinanzieren. Die dadurch entstandenen Kosten machte sie als Schadenersatz geltend.
Die Entscheidung des LG Memmingen: Vollmacht ist ausreichend
Das LG Memmingen verurteilte die Sparkasse zur Zahlung von Schadenersatz.
- Vollmacht ist entscheidend: Das Gericht stellte klar, dass die Sparkasse zur Auszahlung des Guthabens verpflichtet gewesen wäre, da der Nichte eine Kontovollmacht und eine Generalvollmacht vorlagen. Zweifel an der Echtheit der Vollmachtsurkunde hatte die Sparkasse nicht geäußert.
- Keine Forderung nach Erbschein: Die Bank ist grundsätzlich nicht berechtigt, die Auszahlung zu verweigern oder einen Erbschein zu fordern, wenn der Erbe eine postmortale Vollmacht vorlegt.
- Schadenersatz für Verzug: Durch die unberechtigte Verweigerung der Auszahlung hat die Sparkasse die Nichte in Verzug gesetzt und muss die entstandenen Kosten, wie die Kosten für den Erbschein, die Zwischenfinanzierung der Erbschaftsteuer und die Anwaltskosten, ersetzen.
Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil ist eine wichtige Erinnerung an die Bedeutung von Vorsorgevollmachten im Todesfall.
- Postmortale Vollmacht als Alternative zum Erbschein: Eine postmortale Generalvollmacht ermöglicht es Erben, über das Vermögen des Verstorbenen zu verfügen, ohne den teuren und zeitintensiven Weg über einen Erbschein gehen zu müssen.
- Verpflichtung der Kreditinstitute: Banken und Sparkassen müssen die Auszahlung des Guthabens vornehmen, wenn eine gültige Vollmacht vorliegt. Sie können die Auszahlung nur verweigern, wenn konkrete und begründete Zweifel an der Echtheit der Vollmacht bestehen.
- Haftung bei Verweigerung: Verweigert ein Kreditinstitut die Auszahlung ohne berechtigte Zweifel, macht es sich schadenersatzpflichtig.
Bei der Nachlassplanung ist es ratsam, neben einem Testament auch eine umfassende, über den Tod hinaus gültige Vorsorgevollmacht zu erteilen.
Quellenangabe:
LG Memmingen, Urteil vom 28.10.2019, Az.: 22 O 257/19, Abruf-Nr. 212519.BGH, Urteil vom 25.10.1994, Az.: XI ZR 239/93.BGH, Urteil vom 05.04.2016, Az.: XI ZR 440/15, Abruf-Nr. 185747.RVG § 14 Abs. 1 S. 1.FamFG § 25 Abs. 2.(Verweis auf Ausgabe 12/2019, Seite 298 | ID 46225054).
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