Stundung des Pflichtteils: Obdachlosigkeit des Vorerben als "unbillige Härte"

Ein Urteil des LG Nürnberg-Fürth klärt, wann ein Vorerbe die Stundung eines Pflichtteilsanspruchs beantragen kann. Drohende Obdachlosigkeit ist ein wichtiger Grund für eine Stundung.

Wenn ein Erblasser eine Vor- und Nacherbschaft anordnet, kann der Vorerbe mit Pflichtteilsansprüchen konfrontiert werden. Um diese zu erfüllen, müsste er möglicherweise das geerbte Vermögen verkaufen. Doch was passiert, wenn dies zu einer unbilligen Härte führen würde? Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth hat in einem Urteil vom 2. Oktober 2024 (Az.: 6 O 4728/21) entschieden, dass eine drohende Obdachlosigkeit des Vorerben ein solcher Härtefall sein kann, der eine Stundung des Pflichtteils rechtfertigt.

Der Fall: Pflichtteilsanspruch trifft auf Nacherbschaft

Ein Erblasser hatte in seinem Testament eine Vorerbschaft angeordnet. Der Vorerbe bewohnte das geerbte Hausgrundstück, welches der Nacherbschaft unterlag. Als ein Pflichtteilsberechtigter seinen Anspruch geltend machte, beantragte der Vorerbe eine Stundung der Pflichtteilszahlung wegen drohender unbilliger Härte.

Die Entscheidung des Gerichts: Schutz des Vorerben

Das Gericht gab dem Stundungsantrag statt.

  1. Zuständigkeit des Prozessgerichts: Das Gericht stellte zunächst fest, dass es für einen solchen Stundungsantrag zuständig ist, wenn der Pflichtteilsanspruch streitig ist.
  2. Unbillige Härte: Das Gericht wertete die drohende Obdachlosigkeit des Vorerben als eine unbillige Härte. Der Verkauf des Hauses wäre für ihn eine existenzielle Bedrohung.
  3. Verfügungsbeschränkung als Hinderungsgrund: Ein wichtiger Grund für die Stundung war auch die Tatsache, dass das Haus der Nacherbschaft unterlag. Aufgrund der relativen Unwirksamkeit von Verfügungen nach §2113 BGB war nicht damit zu rechnen, dass das Grundstück einen Verkaufserlös erzielen würde, der den Pflichtteilsanspruch nennenswert befriedigt. Die Stundung war damit geboten.
  4. Geringe Verzinsung: Bei der Bemessung der Stundungszinsen berücksichtigte das Gericht, dass der Vorerbe über ein Hausgrundstück mit Verfügungsbeschränkung kaum disponieren kann und letztlich nur über einen Wohnvorteil verfügt. Die Zinshöhe wurde dementsprechend vergleichsweise gering angesetzt.

Was bedeutet das für die Praxis?

Dieses Urteil gibt wichtige Hinweise für Erblasser und Erben, die mit einer Vor- und Nacherbschaft konfrontiert sind.

  • Vorerben-Schutz: Der Vorerbe ist nicht gezwungen, das geerbte Haus sofort zu verkaufen, wenn dies seine Existenz bedroht. Er kann eine Stundung der Pflichtteilsansprüche beantragen.
  • Verfügungsbeschränkungen: Die Verfügungsbeschränkungen der Nacherbschaft wirken sich zugunsten des Vorerben aus. Da ein Verkauf des Grundstücks praktisch unmöglich ist, kann dies eine unbillige Härte begründen.
  • Klarheit im Testament: Um solche Auseinandersetzungen zu vermeiden, sollten Erblasser in ihren Testamenten klar regeln, wie mit Pflichtteilsansprüchen und dem Vorerben im Falle einer unbilligen Härte umgegangen werden soll.

Quellenangabe:

LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 02.10.2024, Az.: 6 O 4728/21, BeckRS 2024, 47345.§2331a Abs. 2, §2113 Abs. 1, §1381 Abs. 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

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