Testament ohne Ersatzerben: Wie die ergänzende Auslegung den Erblasserwillen sichert
Was passiert, wenn ein Erbe vor dem Erblasser verstirbt und das Testament keine Regelung für diesen Fall vorsieht? Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einem Beschluss vom 19. März 2025 (Az.: I-10 W 40/25) entschieden, dass eine sogenannte ergänzende Testamentsauslegung den Willen des Erblassers auch dann retten kann, wenn die gesetzlichen Auslegungsregeln nicht greifen.
Der Fall: Streit um den weggefallenen Erben
Eine kinderlose und unverheiratete Erblasserin setzte in ihrem handschriftlichen Testament ihre Cousine als Erbin ein. Die Cousine verstarb jedoch zwei Jahre vor der Erblasserin, ohne dass diese das Testament änderte. Die Cousine hatte drei Kinder. Eine andere Cousine der Erblasserin beantragte nach dem Tod der Erblasserin einen Erbschein als Alleinerbin. Die Kinder der vorverstorbenen Cousine hielten dagegen und beantragten einen Erbschein, der sie als Ersatzerben auswies.
Das Nachlassgericht gab den Kindern der Cousine Recht und das OLG Hamm bestätigte diese Entscheidung.
Die OLG-Entscheidung: Ergänzende Auslegung rettet den Erblasserwillen
Der BGH hat in früherer Rechtsprechung bereits entschieden, dass die gesetzliche Auslegungsregel des §2069 BGB (Ersatzerbeneinsetzung der Abkömmlinge) nicht anwendbar ist, wenn der Bedachte kein Abkömmling des Erblassers ist. Das OLG Hamm schloss sich dem an, sah aber dennoch einen Weg, den Willen der Erblasserin zu ermitteln:
- Planwidrige Regelungslücke: Das Testament enthielt keine Regelung für den Fall, dass die Cousine vorverstirbt. Das Gericht sah hier eine planwidrige Regelungslücke, die geschlossen werden musste.
- Maßgeblicher Erblasserwille: Entscheidend war die Feststellung, dass die Erblasserin mutmaßlich die Berufung der Abkömmlinge ihrer Cousine als Ersatzerben gewollt hätte, wenn sie den Fall bedacht hätte. Das OLG begründete dies mit der engen familiären Beziehung, die die Erblasserin zu der Cousine und deren Familie hatte.
- Zuwendung als Auslegungsansatzpunkt: Das Gericht stellte klar, dass der Ansatzpunkt für die Auslegung die Zuwendung selbst ist. Es bedarf keiner weiteren Andeutung im Testament, dass die Abkömmlinge Ersatzerben sein sollen.
Was bedeutet das für die Praxis?
Dieses Urteil ist von großer Bedeutung für die Testamentsgestaltung, insbesondere bei der Einsetzung von Personen, die keine direkten Abkömmlinge sind:
- Explizite Ersatzerbeneinsetzung: Um Streitigkeiten und langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden, sollten Sie in Ihrem Testament stets Ersatzerben benennen, falls ein eingesetzter Erbe wegfällt.
- Repräsentation des Stammes: Das Gericht wertete die Cousine als Repräsentantin ihres Familienstammes. Das bedeutet, dass die Richter annahmen, der Erblasser wollte mit der Zuwendung nicht nur die Person, sondern den gesamten Familienstamm begünstigen. Wenn Sie dies nicht wünschen, sollten Sie das Testament präzise formulieren.
- Herausforderungen bei Laien-Testamenten: Das Urteil zeigt, wie komplex die Auslegung von handschriftlichen Testamenten sein kann, wenn sie nicht präzise formuliert sind.
Quellenangabe:
OLG Hamm, Beschluss vom 19.03.2025, Az.: I-10 W 40/25.§§ 2065, 2069 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
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