Testament verschwunden: Kann eine Bilddatei das Original ersetzen? 📂

Wenn ein Testament verschwunden ist, kann eine Bilddatei als Beweismittel dienen. Das OLG Brandenburg klärt die strengen Anforderungen an die Beweiskraft.

Was passiert, wenn ein Testament im Original nicht mehr auffindbar ist? Kann eine digitale Kopie als Beweis für den letzten Willen des Erblassers dienen? Das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) hat in einem Beschluss vom 5. September 2019 (Az.: 3 W 79/18) zu dieser spannenden Frage Stellung genommen und entschieden: Ja, eine gespeicherte Bilddatei kann als Nachweis dienen, wenn das Original unauffindbar ist.

Der Fall: Verschwundenes Testament und digitale Kopie

Ein Erblasser (E) hatte mit seiner zweiten Ehefrau (N) ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament erstellt. Nach der Trennung war das Original verschwunden. N vermutete, E habe es in einem Wutanfall vernichtet, da er meinte, es habe keine Rechtswirkungen mehr. Um das Testament zu beweisen, legte sie eine im Jahr 2003 erstellte Bilddatei vor, die sie auf ihrem Computer gespeichert hatte.

Das Testament sah vor, dass N einen Teil des Vermögens erben sollte, während der Rest an die Kinder des E aus erster Ehe ging. Diese bestritten die Echtheit der Kopie und behaupteten, das Original habe nie existiert.

Die OLG-Entscheidung: Bilddatei als Beweismittel zulässig

Das OLG Brandenburg gab N Recht.

  • Beweismittel bei fehlendem Original: Zwar muss zur Erteilung eines Erbscheins grundsätzlich das Original eines Testaments vorgelegt werden (§ 352 Abs. 1 S. 2 FamFG). Ist das Original jedoch ohne das Wollen des Erblassers vernichtet oder verloren gegangen, können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln nachgewiesen werden – dazu gehört auch eine Kopie oder Bilddatei.
  • Strenge Anforderungen: Das Gericht betonte, dass an einen solchen Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind.
  • Sachverständigengutachten: Ein Sachverständiger bestätigte, dass die Bilddatei seit ihrer Erstellung im Jahr 2003 nicht manipuliert wurde.
  • Plausibilität der Aussage: Das Gericht hielt die Aussagen der N für glaubwürdig. Die Tatsache, dass das Testament auch die Kinder des Erblassers berücksichtigte und die N nicht zur Alleinerbin machte, sprach gegen eine Fälschung durch die N. Ein Fälscher, so das Gericht, hätte sich wohl selbst begünstigt.

Relevanz für die Praxis

Dieses Urteil ist ein wichtiger Präzedenzfall für die Bedeutung digitaler Beweismittel im Erbrecht.

  1. Digitalisierung im Erbrecht: Die Entscheidung unterstreicht, dass die Digitalisierung auch im Erbrecht angekommen ist. Eine gut dokumentierte Kopie kann im Notfall einen unauffindbaren Original-Testaments ersetzen.
  2. Sorgfältige Beweissicherung: Es empfiehlt sich daher, von einem handschriftlichen Testament eine digitale Kopie zu erstellen und diese sicher aufzubewahren. Es kann auch hilfreich sein, Zeugen für die Errichtung des Testaments zu haben.
  3. Abgrenzung: Das Gericht unterscheidet klar zwischen einem bewusst durch den Erblasser zerstörten Testament (Widerruf) und einem, das ohne sein Wollen verloren ging oder vernichtet wurde.

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Quellenangabe:

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 05.09.2019, Az.: 3 W 79/18, Abruf-Nr. 212520.§ 352 Abs. 1 Satz 2 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG).(Verweis auf Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 25.01.2019, Az.: 2 W 45/18).(Verweis auf Ausgabe 12/2019, Seite 301 | ID 46181931).

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