Testamente: Wann ist die Erbeinsetzung einer Berufsbetreuerin sittenwidrig?

Wenn eine Berufsbetreuerin sich selbst als Erbin einsetzt, kann das Testament sittenwidrig sein. OLG Celle bestätigt Nichtigkeit.

Die Errichtung eines Testaments ist Ausdruck der freien Willensentscheidung eines Erblassers. Doch was passiert, wenn die Person, die den Erblasser betreut, selbst zur Erbin eingesetzt wird? Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat in einem rechtskräftigen Beschluss vom 9. Januar 2024 (Az.: 6 W 175/23) entschieden, dass ein solches Testament sittenwidrig und damit nichtig sein kann, wenn die Berufsbetreuerin ihren Einfluss gezielt ausnutzt.

Der brisante Fall

Eine 92-jährige, alleinstehende Frau befand sich nach dem Tod ihrer Tochter, ihrer letzten lebenden Angehörigen, in einem schwierigen gesundheitlichen und emotionalen Zustand. Nur zwei Tage nach dem Tod der Tochter und noch während des Krankenhausaufenthalts der alten Dame wurde eine Berufsbetreuerin für sie bestellt.

Kurz darauf, während eines weiteren Krankenhausaufenthalts, beauftragte die Berufsbetreuerin selbst einen Notar mit der Erstellung eines notariellen Testaments für die Erblasserin. In diesem Testament setzte die Frau die Berufsbetreuerin als Alleinerbin ihres Vermögens von 350.000 € ein. Wenige Tage nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus und der Aufnahme bei der Betreuerin zu Hause verstarb die Erblasserin.

Die Entscheidung des OLG Celle

Das OLG Celle bestätigte die bereits vom Amtsgericht getroffene Entscheidung und wies die Beschwerde der Berufsbetreuerin zurück. Das Gericht befand das Testament nach § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als sittenwidrig und nichtig. Damit kann die Berufsbetreuerin aus diesem Testament keine Rechte herleiten und keinen Erbschein erhalten.

Das OLG Celle hielt an seiner bereits 2021 vertretenen Auffassung fest, dass ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin sittenwidrig sein kann. Die Richter begründeten die Sittenwidrigkeit nach einer Gesamtwürdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls.

Besonders ins Gewicht fielen dabei:

  • Das hohe Alter der Erblasserin (92 Jahre).
  • Ihr schlechter Gesundheitszustand.
  • Ihr Gemütszustand nach dem kurz zuvor erfolgten Tod ihrer Tochter.
  • Die Umstände der notariellen Beurkundung im Krankenhaus.
  • Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Einrichtung der Betreuung und der Testamentserrichtung.
  • Die Tatsache, dass die Betreuerin selbst den Notar beauftragte.

Das Gericht sah in der Summe dieser Faktoren einen Missbrauch der Vertrauensstellung der Berufsbetreuerin und eine gezielte Beeinflussung der leicht beeinflussbaren Erblasserin zum Erreichen der eigenen Erbeinsetzung.

Bedeutung für die Praxis

Dieses rechtskräftige Urteil des OLG Celle ist von großer Bedeutung für die Erbrechtspraxis. Es schärft die Kriterien für die Sittenwidrigkeit von Testamenten aus und sendet ein klares Signal: Die besondere Vertrauensstellung einer Berufsbetreuerin darf nicht dazu missbraucht werden, sich selbst testamentarisch zu begünstigen. Im Zweifel wird die Wirksamkeit solcher Verfügungen gerichtlich streng geprüft.

Für Erblasser, die von einer Betreuung betroffen sind, und deren Angehörige ist es essenziell, die Unabhängigkeit der testamentarischen Willensbildung sicherzustellen.

Quellenangabe:

OLG Celle, Beschluss vom 09.01.2024, Az.: 6 W 175/23 (rechtskräftig), Pressemitteilung vom 25.01.2024.§ 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).(Vgl. auch OLG Celle, Urteil vom 07.01.2021, Az.: 6 U 22/20).

Benötigen Sie rechtliche Unterstützung im Erbrecht?

Unsere Experten stehen Ihnen zur Seite! Vereinbaren Sie jetzt eine Erstberatung und lassen Sie sich umfassend zu Ihren Rechten und Möglichkeiten beraten. Kontaktieren Sie uns noch heute!