Unwirksame Nacherbeneinsetzung: Kann das Testament umgedeutet werden?

Ein Urteil des OLG Hamm zeigt: Eine unwirksame Ermächtigung zur Nacherbenbestimmung kann als Vollerbeinsetzung umgedeutet werden, um den Erblasserwillen zu wahren.

Die Nachlassplanung durch eine Vor- und Nacherbschaft ist ein komplexes Feld. Oft möchte der Erblasser dem Vorerben die Möglichkeit geben, die Erbfolge an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Doch eine Ermächtigung an Dritte zur Bestimmung des Nacherben verstößt in der Regel gegen die höchstpersönliche Natur des Testaments. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einem Beschluss vom 9. Januar 2025 (Az.: 10 W 23/24) entschieden, dass eine solche unwirksame Ermächtigung in eine Vollerbeinsetzung des Vorerben umgedeutet werden kann.

Der Fall: Der Vorerbe soll den Nacherben bestimmen

Ein Erblasser setzte seine Ehefrau als nicht befreite Vorerbin ein. Seinen Sohn setzte er als Nacherben ein, ermächtigte aber seine Ehefrau, einen anderen Abkömmling als Nacherben zu bestimmen. Diese Ermächtigung war jedoch unwirksam, da der Erblasser keine Kriterien für die Auswahl vorgegeben hatte und damit eine willkürliche Bestimmung ermöglichte.

Nach dem Tod des Erblassers war unklar, welche Rechtsfolgen sich aus dieser unwirksamen Ermächtigung ergaben. Der Sohn sah sich als alleinigen Nacherben. Die Tochter, die von der Vorerbin als Alleinerbin eingesetzt war, sah die Nacherbenstellung des Sohnes als entfallen an.

Die OLG-Entscheidung: Umdeutung in eine Vollerbschaft

Das OLG Hamm bestätigte, dass die Ermächtigung zur Nacherbenbestimmung unwirksam war. Das Gericht entschied jedoch, dass die unwirksame Verfügung in eine Vollerbenstellung der Ehefrau umgedeutet werden konnte.

  • Grundsatz der höchstpersönlichen Willensbildung: Das Testament muss den Willen des Erblassers wiedergeben. Eine Ermächtigung, die einem Dritten eine willkürliche Auswahl des Erben ermöglicht, verstößt gegen diesen Grundsatz.
  • Umdeutung nach §140 BGB: Eine unwirksame letztwillige Verfügung kann in eine andere wirksame Verfügung umgedeutet werden. Dies setzt voraus, dass die wirtschaftliche Zielsetzung des Erblassers auch durch die umgedeutete Verfügung erreicht wird.
  • Weitreichende Befugnisse der Vorerbin: Da der Erblasser seiner Ehefrau weitreichende Befugnisse eingeräumt hatte, die weit über die eines normalen Vorerben hinausgingen, lag die Annahme nahe, dass er sie im Falle der Ausübung der Ermächtigung als Vollerbin eingesetzt haben wollte.

Was bedeutet das für die Praxis?

Dieses Urteil gibt wichtige Hinweise für die Gestaltung von Testamenten, insbesondere bei der Einsetzung von Nacherben.

  • Vermeidung unzulässiger Ermächtigungen: Um die Wirksamkeit Ihres Testaments zu gewährleisten, sollten Sie vermeiden, Dritten eine willkürliche Auswahl des Erben zu überlassen.
  • Klare Kriterien für die Auswahl: Wenn Sie eine Auswahlregelung wünschen, müssen Sie diese mit klaren, objektiven Kriterien im Testament formulieren, um eine willkürliche Bestimmung auszuschließen.
  • Auslegungs- und Umdeutungsrisiko: Das Urteil zeigt, dass unklare Formulierungen zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten führen und der Wille des Erblassers erst durch eine Umdeutung realisiert werden kann.

Quellenangabe:

OLG Hamm, Beschluss vom 09.01.2025, Az.: 10 W 23/24.§2065 Abs. 2, §140 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

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