Vermächtnis zugunsten des Hausarztes: Wann die Zuwendung wirksam ist

BGH entscheidet: Ein Vermächtnis an den behandelnden Arzt ist nicht automatisch unwirksam aufgrund der ärztlichen Berufsordnung. Testierfreiheit hat Vorrang.

Die Frage, ob Zuwendungen von Todes wegen an den behandelnden Arzt des Erblassers wirksam sind, hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil vom 2. Juli 2025 (Az.: IV ZR 93/24) entschieden. Demnach führt ein vermeintlicher Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung nicht automatisch zur Unwirksamkeit eines solchen Vermächtnisses.

Der Fall, der zur Klärung führte

Ein Erblasser hatte im Januar 2016 mit seinem Hausarzt, der ihn seit 2015 behandelte, sowie einer Pflegeperson einen "Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag" geschlossen. In diesem Vertrag verpflichtete sich der Arzt zu verschiedenen medizinischen und betreuerischen Leistungen. Als Gegenleistung sollte er im Todesfall des Erblassers das Eigentum an einem Grundstück erhalten. Später, im März 2016, setzte der Erblasser in einem notariellen Testament die Pflegeperson als Alleinerbin für sein weiteres Vermögen ein.

Nach dem Tod des Erblassers und der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Hausarztes forderte der Insolvenzverwalter das Grundstück von der Erbin für die Insolvenzmasse ein. Die Vorinstanzen, das Landgericht Bielefeld und das OLG Hamm, wiesen die Klage ab. Das OLG Hamm sah die Zuwendung als Vermächtnis an, das jedoch wegen Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Ärztekammer (BO-Ä) unwirksam sei. Diese Vorschrift verbietet Ärzten, sich Vorteile versprechen zu lassen, die den Eindruck erwecken, die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung werde beeinflusst.

Die wegweisende Entscheidung des BGH

Der BGH gab der Revision des Klägers (Insolvenzverwalter) statt und hob das Berufungsurteil auf. Die Richter stellten klar, dass die Zuwendung des Grundstücks an den Hausarzt im Wege des Vermächtnisses nicht wegen eines Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä unwirksam ist.

Der BGH begründete dies wie folgt:

  • Standesrechtliche Natur der Vorschrift: § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä ist eine berufsständische Vorschrift, die das Verhältnis zwischen dem Arzt und seiner Ärztekammer regelt. Sie verbietet dem Arzt ein bestimmtes Verhalten (Vorteile fordern oder annehmen), schützt aber nicht den zuwendenden Patienten oder dessen Angehörige. Die Sicherung der ärztlichen Unabhängigkeit und des Ansehens der Ärzteschaft kann durch berufsrechtliche Sanktionen ausreichend gewährleistet werden.
  • Schutz der Testierfreiheit: Eine Unwirksamkeit des Vermächtnisses würde einen ungerechtfertigten Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Testierfreiheit des Patienten (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) darstellen. Für eine solche Beschränkung der Testierfreiheit fehle es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Wesentliche Entscheidungen zur Ausübung von Grundrechten müssen durch den Gesetzgeber in einem Parlamentsgesetz getroffen werden und dürfen nicht Berufsverbänden überlassen werden. Der BGH sah den Eingriff in die Testierfreiheit als unverhältnismäßig an, da das Interesse des Patienten an einer druckfreien Testierung durch die Berufsordnung ohnehin nicht geschützt werde.

Der BGH verwies die Sache an das Berufungsgericht zurück, da dieses noch prüfen muss, ob die Vereinbarung des Vermächtnisses im Erbvertrag möglicherweise wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB unwirksam ist – ein Aspekt, der bislang nicht ausreichend gewürdigt wurde.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des BGH stärkt die Testierfreiheit und schränkt die Möglichkeit ein, testamentarische Verfügungen zugunsten von Ärzten allein aufgrund standesrechtlicher Vorschriften für unwirksam zu erklären. Es verdeutlicht, dass Berufsordnungen primär das Verhalten des Berufsangehörigen regeln und nicht automatisch die zivilrechtliche Wirksamkeit von Willenserklärungen Dritter beeinflussen. Die Prüfung einer möglichen Sittenwidrigkeit im Einzelfall bleibt jedoch weiterhin relevant.

Quellenangabe:

Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.07.2025, Az.: IV ZR 93/24, Pressemitteilung vom 02.07.2025.(Verweist auf: Landgericht Bielefeld, Urteil vom 18.01.2024, Az.: 19 O 124/22; OLG Hamm, Beschluss vom 26.06.2024, Az.: I-10 U 14/24).§ 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der örtlich zuständigen Ärztekammer Westfalen-Lippe (BO-Ä).§§ 134, 2171 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG).

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